Zwischen Himmel und Liebe
der Menschen, die ihr das Leben verschönert hatten, waren bei ihr geblieben. Wenn sie auf ihre bisherigen Erfahrungen zurückblickte, bekam sie solche Angst vor dem Ende der wundervollen Zeit, dass sie instinktiv anfing, auf den Tag zu warten, an dem sie Ivan verlieren würde. Denn ganz gleich, wer er sein mochte, er tat ihr so gut, er lehrte sie zu lachen. Manchmal fragte sie sich allerdings, was er wohl von ihr lernte. Sie fürchtete, dass Ivan, dieser liebenswerte Mann mit den sanften Augen, eines Tages erkennen würde, dass sie ihm nichts zu geben hatte. Dass sie alles von ihm genommen hatte, aber zu keiner Gegenleistung fähig war.
So war es auch bei Mark gewesen. Sie konnte ihm nicht mehr von sich geben, weil sie sonst das Gefühl gehabt hätte, ihre Familie zu vernachlässigen. Und genau das hatte er natürlich von ihr verlangt – dass sie das Band durchschnitt, das sie an ihre Familie fesselte, dass sie sich abnabelte. Aber sie hatte es nicht fertig gebracht. Saoirse und ihr Vater wussten genau, wie sie die Strippen ziehen mussten, und Elizabeth blieb ihre Marionette. Deshalb war sie jetzt allein, zog ein Kind auf, das sie nie gewollt hatte, und die Liebe ihres Lebens wohnte in Amerika, mit Frau und Kind. Seit fünf Jahren hatte sie nichts mehr von ihm gehört oder gesehen. Ein paar Monate nachdem Elizabeth nach Irland zurückgezogen war, hatte er sie das letzte Mal besucht.
Die ersten Monate waren die schlimmsten gewesen. Verzweifelt hatte Elizabeth Saoirse zu überreden versucht, ihr Kind selbst aufzuziehen. Saoirse hatte heftig protestiert und behauptet, nicht das geringste Interesse an ihrem Sohn zu haben, aber Elizabeth wollte nicht zulassen, dass ihre Schwester die Chance verspielte, eine Mutter für Luke zu sein.
Schließlich ertrug ihr Vater es nicht mehr, dass Saoirse ständig auf Achse war und das Baby im Farmhaus die Nächte durchbrüllte. Vermutlich fühlte er sich zu sehr an die Zeit erinnert, als er schon einmal allein mit einem Baby hatte fertig werden müssen, das er dann aus lauter Verzweiflung seiner zwölfjährigen Tochter zugeschoben hatte. Jetzt reagierte er ähnlich wie damals und warf Saoirse aus dem Haus, was zur Folge hatte, dass diese samt Baby und Wiege kurze Zeit später bei Elizabeth vor der Tür stand. Genau an dem Tag, als Mark sie besuchen wollte.
Nachdem er einen Blick auf ihre Lebensumstände geworfen hatte, war Elizabeth klar, dass sie ihn für immer verloren hatte. Bald darauf verschwand Saoirse einfach und überließ das Baby ungefragt ihrer Schwester. Eine Weile spielte Elizabeth ernsthaft mit dem Gedanken, Luke zur Adoption freizugeben. Jede schlaflose Nacht und jeden stressigen Tag schwor sie sich von neuem, endlich anzurufen und den Vorgang in die Wege zu leiten. Aber sie brachte es nicht übers Herz. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass sie nicht klein beigeben wollte, vielleicht lag es an ihrem besessenen Streben nach Perfektion, jedenfalls konnte sie nicht damit aufhören, Saoirse zu helfen. Außerdem gab es auch noch einen Teil in ihr, der unbedingt beweisen wollte, dass sie ein Kind aufziehen konnte und dass sie nicht schuld daran war, wie Saoirse geworden war. Bei Luke wollte sie es richtig machen, er hatte das Beste verdient.
Leise fluchend nahm sie die nächste Skizze, zerknüllte sie wütend und warf sie quer durchs Zimmer Richtung Abfalleimer. Das Papier landete direkt daneben, und da Elizabeth es nicht ertragen konnte, wenn etwas nicht am richtigen Platz war, ging sie hinüber und sorgte für Ordnung.
Die Küche war übersät mit Papieren, Stiften, Kinderbüchern und Comicfiguren, aber bisher hatte Elizabeth lediglich seitenweise Gekritzel produziert. Das genügte ihr alles nicht für das Spielzimmer und schon gar nicht für die neue Welt, die sie sich zu erschaffen vorgenommen hatte. Als sie jetzt an Ivan dachte, passierte das Gleiche wie immer: Es klingelte an der Tür, und sie wusste, dass er es war. Sofort sprang sie auf, fuhr sich durch die Haare, strich ihre Kleider glatt, kontrollierte ihr Spiegelbild, sammelte Stifte und Papier ein und trat dann eine Weile höchst albern auf der Stelle, weil sie nicht wusste, wohin mit dem ganzen Zeug. Die Blätter glitten ihr aus der Hand, und als sie sie festzuhalten versuchte, segelten sie zu Boden wie Laub im Herbstwind.
Während sie noch eifrig dabei war, sie aufzuklauben, fiel ihr Blick auf rote Converse-Turnschuhe, die über Kreuz an der Türschwelle standen. Resigniert ließ sie die
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