Zwischen jetzt und immer
Stunden Zeit, um über Jason nachzudenken und darüber, was ich zu ihm sagen sollte, wenn ich ihn sah. Aber je mehr ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, umso hartnäckiger wanderten meine Gedanken zu
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und Wes und allem, was in den letzten Wochen passiert war. An dem Abend, als Jason mir die Mail schrieb, er wolle sich von mir trennen, hatte ich an nichts anderes denken können als daran, wie ich die Sache zwischen uns wieder in Ordnung bringen konnte. Doch jetzt war ich mir nicht mehr sicher, was ich eigentlich wollte.
Nachdem ich mit dem Sortieren der Zeitschriften fertig war, setzte ich mich wieder an meinen Platz an der Theke und starrte durchs Fenster zu der Mauer auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Countdown bis zu Jasons Ankunft lief. Immer wieder schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass sich die große gläserne Eingangstür jeden Moment öffnen und etwas geschehen würde. Ich wusste bloß nicht, was.
Amanda und Bethany unterhielten sich eifrig auf Französisch; sie wollten in den letzten Wochen der Sommerferien einen Sprachkurs machen und übten schon mal. Nervös und durcheinander, wie ich war, trieb mich das Genäsel fast in den Wahnsinn. Nur deshalb fiel es mir wahrscheinlich überhaupt auf, als sie endlich damit aufhörten. Vollkommen unvermittelt.
Gut festhalten, Macy, dachte ich, jetzt geht’s los. Gerade hatte Amanda noch irgendetwas von den Champs-Élysées geflötet, doch im nächsten Moment starrten beide zur Eingangstür. Sprachlos.
Ich blickte auf, hatte Jason bereits vor meinem geistigen Auge. Aber es war nicht Jason. Es war Wes.
Er war gerade hereingekommen, stand an der Eingangstürund schaute sich um, als müsste er sich erst einmal sammeln. Dann entdeckte er mich und bewegte sich in seinem wohl bekannten Schlendergang auf uns drei zu.
Während er sich näherte, hörte ich die Rollen an Bethanys und Amandas Stühlen aufgeregt quietschen: Die beiden rückten näher an die Theke heran, setzten sich aufrecht und erwartungsvoll hin. Doch Wes trat direkt auf mich zu.
»Hallo«, sagte er.
In meinem ganzen Leben hatte ich mich noch nicht so gefreut jemanden zu sehen. »Hallo.«
Wes beugte sich ein wenig vor. »Ich wollte dich bloß –«
»Entschuldigung«, sagte Bethany mit lauter, klarer Stimme.
Wes wandte sich um und sah sie an. Ich nahm alles an ihm genau wahr: sein Profil, seinen Arm, das kleine Stück Herzhand, das unter seinem Ärmel hervorguckte.
»Wir helfen dir gerne«, fuhr Bethany fort. »Hast du irgendeine Frage?«
»Äh . . . ja . . .« Wes blickte mich an. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. »Aber –«
»Die kann ich bestimmt auch beantworten.« Bethanys Stimme klang so fest, so von sich selbst überzeugt. Amanda nickte zustimmend.
»Ist schon in Ordnung«, antwortete Wes, bevor er sich wieder mir zuwandte und fragend die Augenbrauen hob. Ich zuckte nur die Schultern.
»Okay, also –«
Bethany fiel ihm ins Wort. »Sie ist bloß Praktikantin und kann dir ganz sicher nicht weiterhelfen.« Rutschte auf ihrem Stuhl etwas näher an Wes heran und sagte in chefmäßigem Ton: »Es wäre wirklich besser, wenn du dich an mich wenden würdest beziehungsweise an uns.«
Und jetzt – aber wirklich erst jetzt – bemerkte ich, dass Wes einen Hauch genervt wirkte. »Danke«, antwortete er, »aber ich bin mir sicher, sie kennt die Antwort auf meine Frage.«
»Nein. Frag mich.«
Jetzt war er nicht mehr nur einen Hauch genervt. Als er mich ansah, verengten sich seine Augen wie bei einem Tiger vor dem Sprung. Ich erwiderte seinen Blick. Furchtlos. Was auch immer jetzt geschieht, dachte ich, es ist mir egal. Und zum ersten Mal überhaupt schlich die Zeit an der Infotheke nicht dahin. Nein, sie flog.
»Na gut«, sagte Wes gedehnt. Er trat näher an Bethany heran, stützte sich auf seine Ellbogen und beugte sich zu ihr hinunter. Sie setzte sich noch aufrechter hin als sowieso schon und blickte ihn gespannt an. Genau wie jemand, der bei
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nur noch die alles entscheidende Frage beantworten muss, um endgültig abzuräumen. »Meine Frage lautet . . .«
Amanda nahm einen Stift in die Hand, als glaubte sie einen Teil dieser Herausforderung schriftlich erledigen zu müssen.
»Weißt du, wo die großen Servierzangen hingekommen sind, als wir gestern Abend die Sachen weggeräumt haben?«, fragte Wes mit todernster Stimme.
Das Absurde war, dass Bethany für den Bruchteil einer Sekunde tatsächlich aussah, als
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