Zwischen jetzt und immer
zurückkommen.«
Ich wollte hinter der Theke entlang zur Schwingtür laufen, aber wie üblich versperrte mir Amandas Stuhl den Weg. Und dahinter Bethanys. Da ich schon an meinem ersten Arbeitstag – und seitdem an jedem verfluchten Tag – einen wahren Hindernislauf hatte veranstalten müssen, um überhaupt hier reinzukommen, fand ich, dass ich zumindest beim Hinausgehen freie Bahn verdient hatte.
Ich warf meine Handtasche über die Theke. Mit einem dumpfen Klatschen landete sie neben Wes’ Füßen auf dem Boden. Dann hob ich ein Bein und schwang mich in einer einzigen, fließenden Bewegung über die Theke. Selbst meine Schwester, die alte Rebellin, wäre stolz auf mich gewesen!Bethany und Amanda kriegten den Mund überhaupt nicht mehr zu.
»Wow!« Wes hob die Augenbrauen. Ich sammelte meine Handtasche vom Boden auf.
»Nicht schlecht«, sagte er außerdem. »Gekonnter Abschwung.«
»Danke«, entgegnete ich.
»Macy«, zischte Bethany. »Was ist bloß in dich gefahren?«
Doch ich antwortete nicht. Ich blickte nicht ein einziges Mal mehr zurück, während Wes und ich durch die Bibliothek auf den Ausgang zuliefen. Alle starrten uns nach. Es fühlte sich einfach richtig an. Nicht dass ich ging, nein, auch wie ich ging. Ohne groß darüber nachzudenken, ohne es zu bereuen. Und es fühlte sich richtig an, es zusammen mit Wes zu tun. Er hielt mir die Tür auf, ich trat hindurch. Ins Licht.
Kapitel 15
Mit ihren kurzen, pummeligen Fingerchen grabschte Lucy nach einem Buntstift. Und als sie dann damit das Papier berührte, tat sie es mit der ganzen Kraft ihrer zwei Jahre. Als würde die Farbe überhaupt nur so vom Stift aufs Papier übertragen. »Baum«, verkündete sie, während auf dem weißen Blatt ein längliches Gekrakel erschien, das von der einen Kante zur anderen reichte.
»Baum«, wiederholte ich und bemerkte, dass Wes mich schon wieder auf dieselbe Weise ansah wie eigentlich ständig seit dem Moment, als ich vor einer Stunde meinen schwungvollen Abgang über die Infotheke gemacht hatte. Auch während unserer gemeinsamen Fahrt zum Sweetbud Drive hatte er mich immer wieder mit derselben Miene betrachtet. Irgendwas zwischen beeindruckt und ungläubig. »Hör endlich auf, mich so anzusehen«, sagte ich.
»’tschuldigung.« Wes zuckte die Schultern, als könnte er es dadurch ein für alle Mal abschütteln. »Aber ich kriege einfach dieses Bild nicht mehr aus meinem Kopf. Es war –«
»Total gaga«, ergänzte ich. Lucy, die zwischen uns auf der Veranda von Wes’ Haus saß, seufzte schwer unter der Last der Entscheidung, bevor sie nach dem nächsten Buntstift griff.
»Ich fand’s total mutig. Du hast es ihnen so richtig gezeigt«,meinte er. »Ich meine, so ein Abgang . . . ich habe mir schon oft gewünscht, ich könnte einen Job mal so elegant hinschmeißen, habe mich aber nie getraut.«
»Das war weder mutig noch elegant.« Seine Anerkennung war mir peinlich.
»Dir kommt es vielleicht nicht so vor . . .«
Um ehrlich zu sein, ich hatte das Ganze im Grunde noch gar nicht richtig begriffen. Ich wusste bloß, dass sich am anderen Ende der Stadt ein Mega-Tsunami aufgebaut hatte und unaufhaltsam vorwärts stürmte. Irgendwann würde die Riesenwelle auch mich erreichen, würden die Konsequenzen des Schocks, den ich ausgelöst hatte, bei mir ankommen. Ich konnte Jason förmlich vor mir sehen: Er stand in der Bibliothek und hörte total perplex zu, wie Amanda und Bethany ihm von meinem Infothekensprung erzählten, natürlich in äußerst gewählter Sprache, so wie sie es in ihren College-Vorbereitungskursen gelernt hatten. Vermutlich versuchte er bereits fieberhaft, mich auf meinem Handy zu erreichen, um eine Erklärung für mein irrationales Verhalten zu bekommen. Aus genau dem Grund hatte ich mein Handy vorsichtshalber ausgeschaltet, hatte innerlich beschlossen mir die Zeit zwischen jetzt und sechs Uhr – wenn ich mit meiner Mutter verabredet war – zu gönnen, um nicht ständig darüber nachdenken zu müssen, was wohl als Nächstes geschehen würde und wie ich darauf reagieren sollte. Momentan wollte ich mich bloß ablenken, irgendetwas anderes machen. Zum Beispiel mit Buntstiften und Farbe.
Mit diesen Gedanken im Kopf wandte ich mich wieder zu Lucy. Als wir mit der Mayonnaise aufgetaucht waren, war Delia hysterisch wie noch nie. Zusammen mit Bert schnitt sie einen Riesenberg Kartoffeln klein, während um die beidenherum noch riesigere Töpfe mit kochendem Wasser brodelten, so dass die
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