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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Garage wie eine Hexenküche wirkte. Zu allem Überfluss lief Lucy, der heiß war und die sich langweilte, den beiden ständig zwischen den Beinen herum. Delia hatte ihre Tochter auf meinem Arm abgesetzt und uns gebeten sie irgendwie zu beschäftigen, bis Bert und sie so weit waren, dass wir mit dem eigentlichen Salatmachen anfangen konnten. Und nun wischte Lucy sich gerade eine ihrer schwarzen Korkenzieherlocken aus dem Gesicht und fuhr energisch mit einem orangefarbenen Stift im Zickzack über das Papier. »Kuh«, sagte sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
    »Kuh«, wiederholte ich.
    In dem Moment strich ein leichter Wind durch die Bäume, über die Veranda. In meinen Augenwinkeln blitzte unvermittelt etwas auf, das sich anscheinend seitlich am Haus befand. Ich stützte mich ab und verdrehte den Hals, um an der Hauswand entlangblicken zu können: Hinten im Garten standen und hingen mehrere Engel   – große, kleine   – sowie einige Stücke, die offensichtlich noch nicht fertig waren. Ein paar große, verbogene, verdrehte Rohre, ein paar angefangene Skulpturen, bei denen die beweglichen Teile noch fehlten. Dahinter, am Zaun, sah es aus wie auf einem kleinen, privaten Schrottplatz: stapelweise Stangen, Rohre und andere Metallgegenstände, Ersatzteile für Autos und Ähnliches, Nägel, Schrauben, Winkel, Zahnräder in allen Größen   – von riesig bis so winzig, dass sie auf meine Handfläche gepasst hätten.
    Ich deutete mit dem Kopf darauf. »Das ist also der Ort, wo die Magie entsteht.«
    »Das ist keine Magie.« Er sah nicht mich an, sondern Lucy, die das ganze Blatt mit Orange voll malte.
    »Dir kommt es vielleicht nicht so vor . . .«
    Wes verzog bescheiden das Gesicht. Typisch.
    »Darf ich mir die Sachen mal genauer ansehen?«, fragte ich.
    Lucy lief vor uns her über die Veranda, die Stufen hinunter. Als wir um die Hausecke bogen, rannte sie sofort auf eine ziemlich große Skulptur aus Radkappen zu, die kreisförmig um eine hohe, in sich gekrümmte Röhre montiert waren.
    »Schieben! Schieben!« Fordernd schlug sie mit der Hand gegen eine der unteren Kappen.
    »Wie sagt man?«, meinte Wes. Lucy sagte brav bitte. Wes legte die Hand auf eine der höher montierten Kappen und schob sie kräftig an, so dass das Teil sich zu drehen begann; einige der Kreise rotierten nach oben, andere gegenläufig nach unten, alles in einer einzigen, fließenden Bewegung. Das Sonnenlicht fing sich funkelnd in dem glänzenden Metall. Lucy trat einen Schritt zurück und schaute gebannt zu, bis das Kreiseln nach einiger Zeit aufhörte und die Skulptur mit einem leisen Knarren zum Stillstand kam.
    »Noch mal!« Lucy hüpfte vor lauter Begeisterung auf und ab. »Wes, noch mal!«
    Wes sah mich an. »Das kann jetzt stundenlang so weitergehen«, meinte er trocken. Trotzdem schob er die Skulptur geduldig wieder an.
    »Wes!« Delias Stimme drang zwischen den Bäumen zu uns herüber. »Kannst du bitte mal kommen? Wir brauchen einen starken Mann.«
    »Ich habe doch gesagt, ich mache das.« Bert protestierte lautstark. »Ich bin stärker, als ich aussehe.«
    »Wes?«, rief Delia noch einmal. Armer Bert, dachte ich.
    »Ja, bin sofort bei euch«, rief Wes zurück. »Kommst dukurz allein klar?«, fragte er mich. Ich nickte. Er lief los. Lucy schaute ihm nach und für einen Augenblick fragte ich mich, ob sie wohl losbrüllen würde. Tat sie aber nicht. Stattdessen stapfte sie quer durch den Garten, und zwar so zielstrebig, wie man es einer Zweijährigen kaum zugetraut hätte.
    Als ich sie einholte, stand sie schon fast am hinteren Gartenzaun und ging dort in die Hocke. Über ihre Schulter hinweg sah ich drei kleinere Herzhände, quasi Miniausgaben der großen Skulptur, die vorne an der Straße stand, wobei Wes jede der drei leicht variiert hatte: Bei einer verlief quer über dem Herzen eine gezackte Linie, als wäre es gebrochen; bei der zweiten waren die Ränder gezackt, quasi ausgefranst, aber mit spitzen Kanten und Ecken. Aber am meisten mochte ich die dritte, die hinterste in der Reihe; aus dem Herz in der Mitte der Handfläche war ein herzförmiges Loch rausgeschnitten, in dem eine weitere kleine Hand pendelte. Es erinnerte mich an die Puppen in der Puppe, mit denen ich als Kind so gern gespielt hatte. Alle drei Skulpturen waren schmutzig und verrostet. Offensichtlich hatten sie schon lange dort gestanden, bevor Lucy das Gras darüber beiseite geschoben hatte.
    Sie wandte den Kopf und sah mich an. »Hände«, sagte

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