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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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spürte das rasende Pochen meines Pulses im Handgelenk. Kein guter Einstieg in den Tag.
    Als ich in die Küche kam, hing meine Mutter am Telefon, um die letzten Einzelheiten für die Wildflower-Ridge-Parade zum Unabhängigkeitstag inklusive Picknick zu klären, die sie seit Wochen minutiös geplant hatte. Mein Job würde es sein, am Informationstisch zu sitzen, die Leute aus der Nachbarschaft zu begrüßen, zu lächeln sowie höflich jede erdenkliche Frage zu beantworten, und das,
nachdem
ich eine halbe Schicht in der Bibliothek gearbeitet hatte, die trotz des heutigen Feiertags bis eins geöffnet sein würde. Selbst wenn ich gut beziehungsweise überhaupt geschlafen hätte, wäre das ein langer, anstrengender Tag geworden. Aber so hatte ich das Gefühl, der Tag dehnte sich endlos vor mir aus, zumal ich ja   – bevor ich mich, vermutlich halb tot, auf meinem Stuhl am Informationstisch niederlassen konnte   – erst Jasons Auftauchen, die Bibliothek und wer weiß was sonst noch hinter mich bringen musste.
    Ich setzte mich an den Küchentisch, zwang mich, ein paar Löffel Müsli zu essen und nicht an das zu denken, was mir bevorstand. Nachdem meine Mutter aufgelegt hatte, kam sie mit ihrem Kaffeebecher zu mir und setzte sich neben mich. »Ich glaube, wir müssen wegen gestern Abend noch einmal miteinander sprechen.«
    Ich legte meinen Löffel auf dem Rand des Schüsselchens ab. »Okay«, antwortete ich.
    Sie atmete tief durch. »Ich denke, ich habe dir gegenüber bereits mehr als deutlich gemacht   –«
    Das Telefon begann zu klingeln. Meine Mutter stand auf, schob ihren Stuhl zurück, durchquerte die Küche und hob ab. Beim zweiten Klingeln.
    »Deborah Queen«, sagte sie und hörte einen Moment zu, wobei sie mir den Rücken zuwandte. »Ja. Sehr gut. Ja. Spätestens um halb vier, bitte. Vielen Dank.« Sie legte auf und machte sich rasch eine Notiz, bevor sie zu mir an den Tisch zurückkehrte. Im Hinsetzen meinte sie: »Tut mir Leid.« Nahm ihren Becher, trank einen Schluck Kaffee. »Wir sprachen ja bereits darüber, dass ich über die Veränderungen, die mir in letzter Zeit bei dir aufgefallen sind, nicht eben glücklich bin. Gestern Abend wurde mein Eindruck bestätigt, dass ich allen Grund habe, mir Sorgen zu machen.«
    »Mama, du hast keine   –«
    Aus ihrer Handtasche, die auf der Küchentheke stand, ertönte ein schrilles Klingeln. Meine Mutter schnappte sich die Tasche, wühlte darin herum, drückte auf den Sprechknopf, hielt sich das Handy ans Ohr. »Deborah Queen. Hallo, Marilyn. Nein, Sie stören überhaupt nicht. Lassen Sie mich nur rasch die Zahlen für Sie raussuchen.« Mit erhobenem Finger signalisierte sie mir, mich nicht von der Stelle zu rühren, wobei sie aufstand und durch den Flur in ihr Arbeitszimmer entschwand. Dieses Gespräch war als solches schon grausam genug. Durch die ständigen Unterbrechungen wurde es die reinste Folter.
    Als meine Mutter das Gespräch beendet hatte und wieder in die Küche kam, hatte ich bereits meine Müslischüssel unter den Wasserhahn gehalten und in die Spülmaschine gestellt.
    »Langer Rede kurzer Sinn . . .«, sagte sie im Hinsetzen und als hätte es überhaupt keine Unterbrechung gegeben, ». . . ich wünsche, dass du deine Freizeit in Zukunft nicht mehr mit diesen Leuten verbringst. Du kannst von mir aus weiter für den Catering-Service arbeiten, aber sonst nichts.«
    Vielleicht lag es daran, dass ich müde war. Oder daran, dass sie nicht ein einziges Mal mit mir reden konnte, und dann auch noch über ein so schwieriges Thema, ohne das Gespräch alle paar Sekunden zu unterbrechen. Egal. Was ich als Nächstes sagte, verblüffte jedenfalls uns beide.
    »Warum?«
    Nur ein einziges Wort. Aber mit diesem einen Wort hatte ich meiner Mutter, soweit ich zurückdenken konnte, zum ersten Mal in meinem Leben bewusst widersprochen, und sei es auch noch so dezent.
    »Macy, dieser junge Mann ist schon einmal
verhaftet
worden.« Meine Mutter betonte jedes Wort. »Ich bin dagegen, dass du mit so jemandem zu jeder Tages- und Nachtzeit in der Gegend rumfährst   –«
    Wieder begann das Telefon zu klingeln. Sie wollte schon aufstehen, hielt jedoch inne. Das Telefon klingelte noch zweimal und verstummte.
    »Hör zu, mein Schatz«, sagte sie und ihre Stimme klang erschöpft. »Ich weiß, was passiert, wenn sich jemand mit den falschen Leuten rumtreibt. Bei deiner Schwester habe ich das zur Genüge durchgemacht.«
    »Aber es ist nicht fair«, antwortete ich. »Ich habe nichts

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