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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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verschmiert.
    Ich sah definitiv anders aus als vorher. Ich sah nicht nur anders aus, ich
war
anders. Man konnte es in meinem Gesicht lesen wie in einem offenen Buch, obwohl ich es mit keiner Silbe hatte erklären können. Dennoch hatte meineMutter es auf Anhieb wahrgenommen. Das wird sich ändern, hatte sie ironischerweise gesagt, denn ich hatte ihr doch bloß eins sagen wollen: dass es   – nein, dass ich mich bereits verändert hatte.
     
    Ich war geliefert. Aber so was von.
    Und zwar nicht nur, weil ich nicht pünktlich zum Feiertagspicknick erschienen war, sondern natürlich auch wegen Jason, der   – nachdem er in der Bibliothek von meinem Spezialabgang erfahren hatte   – nichts Eiligeres zu tun hatte, als erst auf meinem Handy und dann bei mir daheim anzurufen. Da er mich nicht erreichen konnte, erzählte er alles brühwarm meiner Mutter, die daraufhin natürlich sofort versucht hatte mich anzurufen. Doch erstens hatte ich mein Handy nicht wieder eingeschaltet, es zweitens im Lieferwagen liegen lassen und drittens nie nachgeschaut, ob ich irgendwelche Nachrichten bekommen hatte. Hatte ich aber. Zehn Stück. Was ich allerdings praktischerweise erst später an dem Abend erfuhr, nämlich nachdem ich das Handy endlich aus meiner Handtasche gekramt und die Mailbox abgehört hatte.
    Auf jeden Fall hatte ich einen Riesenärger am Hals. Aber glücklicherweise auch jemanden an meiner Seite, der sich mit so was bestens auskannte, die Hindernisse und einzelnen Stationen im Katastrophenfall identifizieren und den besten Ausweg finden konnte.
    »Lass sie erst mal reden«, sagte Caroline. Die Arme kam genau »am Morgen danach« auf ihrem Weg von der Küste nach Hause bei uns vorbei und geriet prompt zwischen die Fronten. Wir standen zusammen im Bad, wo ich doppelt so viel Zeit damit zubrachte, mir die Zähne zu putzen wie sonst, um den unausweichlichen Canossagang nach untenzu meiner Mutter hinauszuschieben. »Setz dich still hin und hör zu. Kein Nicken, kein Lächeln   – auf keinen Fall lächeln, denn dann wird sie sofort noch wütender.«
    Ich spülte mir den Mund, spuckte aus. »Okay.«
    »Du musst dich entschuldigen, aber nicht sofort, sonst wirkt es nicht echt. Sie muss erst einmal ihren ganzen Ärger loswerden. Erst dann sagst du, es tue dir Leid. Keine Ausflüchte, keine Erklärungen, außer natürlich du hast welche, die wirklich zählen. Hast du welche?«
    »Ich war im
Krankenhaus
.« Ich schnappte mir die Flasche mit dem Mundwasser. Wenn ich schon unterging, dann bitte wenigstens mit frischem Atem. »Meine Freundin hat ihr Kind bekommen.«
    »Gab es da etwa kein Telefon?«
    »Ich habe angerufen!«
    »Eine Stunde
nachdem
du bei dem Picknick aufkreuzen solltest«, sagte Caroline, als müsste sie mich belehren.
    »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«
    »Auf deiner. Deswegen versuche ich ja auch dir zu helfen, so gut ich kann.« Meine Schwester stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. »Sie wird sofort darauf rumreiten, dass du nicht angerufen hast. Versuch auf keinen Fall irgendeine Ausrede dafür zu erfinden, es gibt nämlich keine. Aber überall auf der Welt gibt es Telefone.
Überall

    Ich nahm einen Schluck Mundwasser und funkelte sie an.
    »Tränen können durchaus etwas bringen.« Caroline lehnte sich an den Türrahmen und blickte prüfend auf ihre Fingernägel. »Aber nur, wenn sie echt sind. Wenn du nur so tust, als ob . . .« Sie schüttelte warnend den Kopf. »Das hasst sie und würde sie noch mehr gegen dich aufbringen. Im Prinzip musst du es schlicht aussitzen. Am Anfang flipptsie immer aus, aber je länger sie redet, umso mehr beruhigt sie sich.«
    Wieder spuckte ich aus. »Ich werde bestimmt nicht vor ihr losheulen.«
    »Ach, und übrigens: nicht unterbrechen. Auf gar keinen Fall unterbrechen. Damit versetzt du dir selbst den Todesstoß.«
    Caroline hatte kaum zu Ende gesprochen, als vom Fuße der Treppe die Stimme meiner Mutter zu uns hochdrang: »Macy? Kommst du bitte mal zu mir?«
    Doch es klang nicht wie eine Frage. Caroline biss sich auf die Lippen, als durchlebte sie gerade eine Art posttraumatischen Flashback.
    »Alles wird gut«, sagte sie. »Tief durchatmen. Denk an alles, was ich dir gesagt habe. Und jetzt . . .« Sie legte die Hände auf meine Schultern und drückte sie, bevor sie mich Richtung Tür drehte. »Auf geht’s!«
    Ich lief die Treppe hinunter. Meine Mutter, die schon für die Arbeit umgezogen war, wartete schweigend am Küchentisch und blickte erst auf, nachdem ich

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