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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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schrill und brüchig, dass ich nur vom Zuhören Gänsehaut bekam, obwohl ich jagar nicht die Zielscheibe ihres Zorns war. Wie musste sich erst der Betontyp fühlen . . .
    Es ging noch ein bisschen hin und her und schließlich wurden die Stimmen etwas leiser. Was bedeutete, dass das Gespräch vermutlich bald vorbei sein würde. Und richtig   – Sekunden später stapfte der Betonheini, ein untersetzter Mann mit hochrotem Kopf, gereizt vor sich hin murmelnd an meinem Schreibtisch vorbei und knallte die Tür hinter sich zu, dass die Fensterscheiben klirrten.
    Mein Telefon klingelte. Die interne Leitung. Ich hob ab. »Macy?« Meine Mutter klang vollkommen erschöpft. »Bringst du mir bitte ein Wasser?«
    Ich holte eine Flasche aus dem kleinen Kühlschrank, der neben meinem Schreibtisch stand, und ging in ihr Büro. Ausnahmsweise hing meine Mutter weder am Telefon noch starrte sie auf den Monitor ihres Computers. Nein, sie hatte sich auf ihrem Schreibtischstuhl zurückgelehnt und blickte aus dem Fenster auf ein Schild auf der anderen Straßenseite, das für die Villen warb. Ein Lastwagen parkte direkt davor, so dass man nur einen Teil der Aufschrift erkennen konnte: BEZUGSFERTIG AB DEM 8.   AUGUST.   SICHERN SIE SICH JETZT IHR TRAUMHAUS.
    Ich schraubte den Verschluss von der Wasserflasche und schob sie über den Schreibtisch zu meiner Mutter. Sie trank einen Schluck und schloss die Augen. Ich fragte: »Alles okay?«
    »Ja, mir geht’s gut«, antwortete sie automatisch. »So ist es jedes Mal, wenn ein Projekt kurz vor dem Abschluss steht. Bei den Häusern lief es genauso, bei den Apartments ebenfalls. Egal ob es sich um Villen im Gesamtwert von fünfzig Millionen Dollar oder um ein einziges Modellhaus handelt   – am Ende spielt immer alles verrückt. Aber dannmuss man einfach weitermachen, darf nicht nach rechts und nicht nach links schauen, egal wie schrecklich es ist. Was anderes bleibt mir gar nicht übrig.« Sie trank noch einen Schluck Wasser. »Ich mache weiter, selbst an Tagen wie heute, an denen ich denke, dass mich dieses Geschäft noch umbringen wird.«
    »Mama, sag so was nicht, bitte!«
    Sie lächelte. Ein müdes, mattes Lächeln, doch immerhin das erste seit langer Zeit. »Das ist doch bloß eine Redensart«, meinte sie. »Mir geht es wirklich gut, alles in Ordnung.«
    Trotzdem war mir unbehaglich zumute.
    Den restlichen Nachmittag über beschäftigte ich mich mit der Gästeliste für das Gala-Dinner, bis ich mich um Viertel vor fünf in meinem Stuhl zurücklehnte und höllisch dankbar dafür war, dass zwischen mir und meiner Flucht aus diesem Büro bloß noch vierzehn Minuten lagen. Der Countdown lief. Doch dann passierten zwei Dinge auf einmal. Das Telefon klingelte. Und meine Schwester rauschte herein.
    »
Wildflower Ridge Immobilien
, Macy am Apparat«, sagte ich mit meiner Business-Stimme in den Hörer und winkte ihr zu, während sie die Tür schloss und auf meinen Schreibtisch zukam.
    »Miiis Kwiiins biiite iiis Raffka«, drang es vom anderen Ende der Leitung an mein Ohr. Rathka hatte einen unmöglichen Akzent, man konnte ihn kaum verstehen; außerdem sprach er mit dem Mund so dicht am Hörer, dass es einem richtig unangenehm war.
    »Natürlich, einen Moment bitte.« Ich drückte auf den Knopf, der Rathka vorübergehend in die Warteschleife schickte, und blickte zu Caroline auf, die vor mir stand undziemlich aufgekratzt wirkte; sie hatte die Hände vor der Brust zusammengefaltet und strahlte mich erwartungsvoll an. »Hallo, was gibt’s?«, fragte ich.
    Sie wollte gerade antworten, da öffnete meine Mutter die Tür zu ihrem Büro und steckte den Kopf hindurch. »Auf der Eins, ist das für mich?« Erst dann bemerkte sie meine Schwester. »Hallo, Caroline. Seit wann bist du denn hier?«
    Meine Schwester sah zwischen uns beiden hin und her. Ganz offensichtlich hatte sie uns etwas Wichtiges zu sagen. Schließlich holte sie tief Luft und lächelte: »Fertig!«
    Für ein, zwei Sekunden herrschte Schweigen, während meine Mutter und ich zu erfassen versuchten, was das bedeutete. Das rote Licht am Telefon vor mir blinkte unübersehbar.
    »Fertig«, wiederholte meine Mutter langsam.
    Caroline sah uns noch immer mit demselben freudigen Gesichtsausdruck an.
    »Das Ferienhaus«, sagte ich. »Das meinst du doch, oder?«
    »Ja!« Caroline klatschte dreimal in die Hände, als befänden wir uns in einer Quizshow und ich hätte soeben alle Konkurrenten besiegt und den Hauptpreis gewonnen. »Es ist fertig. Und es

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