Zwischen jetzt und immer
Geschehen innerhalb des Rahmens und wie der Rahmen wiederum das Geschehen prägt.«
Jason schien davon längst nicht so abgelenkt zu sein wie ich, denn er fuhr fort: »Ich habe mir gedacht, wir könnten vielleicht jeder eine Liste aufstellen, was wir von einer Beziehung erwarten. Was wir wollen, was uns wichtig ist. Dannverabreden wir uns, setzen uns zusammen und vergleichen, in welchen Punkten wir übereinstimmen.«
»Eine Liste.«
»Ja, eine Liste«, antwortete er. »Auf diese Weise haben wir es schwarz auf weiß, welche Ziele wir uns für unsere Beziehung gesteckt haben. Wenn irgendwann Probleme auftauchen, können wir anhand der Listen nachvollziehen, wo die Gründe dafür liegen. Das wird es uns enorm erleichtern, Lösungen auszuarbeiten.«
Ich hörte die Stimme meiner Schwester zwar noch; doch je weiter sie mit ihrem Trüppchen ums Haus herumlief, umso leiser wurde sie.
»Und wenn es nicht funktioniert?«, fragte ich.
Jason blinzelte mich verwirrt an. »Warum sollte es nicht funktionieren?«
»Darum.«
Er warf mir einen auffordernden Blick zu. »Weil . . .?«
»Weil die Dinge manchmal einfach laufen, wie sie laufen«, antwortete ich. Eine leichte Brise wehte plötzlich über uns hinweg. »Oder es passiert etwas, das nicht auf der Liste steht. Etwas Unerwartetes.«
»Zum Beispiel?«
»Keine Ahnung«, antwortete ich leicht gefrustet. »Darum geht es doch. Manchmal passieren Sachen aus heiterem Himmel, völlig überraschende Sachen. Man kann sich nicht auf alles vorbereiten, so was meine ich.«
»Aber wir werden auf alles vorbereitet sein.« Jason wirkte vollkommen durcheinander. »Weil wir unsere Listen haben.«
Ich verdrehte die Augen. »Jason!«
»Tut mir Leid, Macy.« Er trat einen Schritt zurück und sah mich an. »Ich verstehe einfach nicht, was du mir sagen willst.«
Und schlagartig wurde mir klar: Er verstand mich tatsächlich nicht. Hatte nicht die geringste Ahnung, wovon ich sprach. Dieser Gedanke war so abwegig und gleichzeitig so einleuchtend, dass ich wusste: Das war der springende Punkt. Das war die Realität, zumindest für Jason. Für Jason gab es nichts Überraschendes oder Unerwartetes. Sein Leben bestand aus Listen und Listen von Listen, Oberlisten und Unterlisten – wie die Packlisten, die ich vor Wochen, zu Beginn der Sommerferien, mit ihm durchgegangen war.
»Es ist bloß . . .« Aber ich unterbrach mich. Schüttelte den Kopf.
»Es ist was?« Er wartete. Wollte wirklich, aufrichtig wissen, was ich meinte. »Erklär’s mir.«
Doch das konnte ich nicht. Ich hatte es ganz allein lernen müssen. Meine Mutter ebenfalls. Auch Jason würde es irgendwann lernen. Doch so was konnte einem niemand beibringen. Die Erfahrung musste man selbst machen. Wenn man Glück hatte, kam man auf der anderen Seite wieder raus und hatte es kapiert. Und falls nicht, wurde man eben immer wieder zurückgeworfen, musste den Spuren aufs Neue folgen, bis man am Ende den richtigen Weg fand.
»Bitte, Macy, versuch wenigstens es mir zu erklären.«
Ich holte tief Luft. Ich wollte ja gern versuchen Worte dafür zu finden, dass es hierfür keine Worte gab. Doch da sah ich, an Jasons Kopf vorbei, wie Wes in die Küche kam. Ich atmete wieder aus. Hatte plötzlich nur noch Augen für Wes.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schaute sich aufmerksam um. Musterte die Leute im Wohnzimmer, die Leute an der Küchentheke. Delia kam mit einem Tablett leerer Gläser reingewirbelt. Stellte es ab, küsste ihn zur Begrüßungauf die Wange. Sie wechselten ein paar Worte, behielten dabei das Partygeschehen im Auge. Wes sagte etwas, worauf sie die Schultern zuckte und Richtung Wohnzimmer zeigte.
Bist du sicher?
, fragte er sie, ich konnte es an seinen Lippen ablesen. Delia nickte, drückte liebevoll seinen Arm, öffnete die Backofentür. Wes warf einen Blick nach draußen und entdeckte mich. Mit Jason. Ich sah ihn beschwörend an, versuchte ihm zu signalisieren: Moment, lauf nicht weg. Doch er drehte sich um, verließ die Küche durch die Seitentür, die hinter ihm ins Schloss fiel.
»Macy?« Caroline kam ums Haus herumgelaufen. »Kommst du bitte mal?«
»Macy?«, fragte Jason. »Was –«
»Moment«, sagte ich, schlängelte mich um die Leute herum, die in Grüppchen auf der Terrasse standen, und lief die Stufen auf der Seite runter, wo Wes rausgegangen war. Ich konnte ihn noch sehen, er erreichte gerade das Ende unserer Auffahrt.
»Weißt du, was das soll?«, fragte Caroline. Einen Moment lang dachte ich,
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