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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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sie meinte Wes. Doch als ich mich umdrehte, sah ich, dass sie mit ihrem Gefolge vor einer Skulptur stand.
    »Was denn?«, fragte ich zerstreut, denn mittlerweile hatte ich Wes aus den Augen verloren.
    »Ich frage mich bloß . . . die hier habe ich noch nie gesehen.« Sie betrachtete die Skulptur. »Mir gehört sie jedenfalls nicht.«
    »Macy?« Jason war mir gefolgt. »Ich denke wirklich, wir sollten   –«
    Doch ich hörte gar nicht hin. Hörte weder ihm zu noch Caroline, die um die Skulptur herumstöckelte und fachsimpelte. Auch die Partygeräusche, die durch die Fenster inden Garten drangen, hörte ich nicht. Alles, was ich hörte, war das leise Klingeln, das von der Skulptur ausging: ein neuer Engel   – vielmehr eine Engelin (das war eindeutig). Sie stand da, die Füße hüftbreit auseinander, die Hände vor der Brust gefaltet. Ihr Mund war ein nach oben ausgerichteter Schlüssel, ihre Augen bestanden aus mit Dichtungsringen eingefasstem Strandglas und ihr Heiligenschein aus lauter winzigen Herzhänden. Doch das Auffälligste an ihr waren die beiden Gebilde, die über ihrem Kopf aufragten und wodurch sie sich von allen bisherigen Engeln unterschied. Zwei dünne Aluminiumplatten, die oben spitz und unten kurvig rund ausgeschnitten sowie mit Miniglöckchen umsäumt waren, von denen das Klingeln ausging, das ich hörte. Das wir alle hörten.
    »Ich verstehe das nicht«, meinte Caroline nachdenklich. »Sie ist die einzige mit Flügeln. Warum wohl?«
    Das Leben stellt einem Millionen Fragen. Man kann unmöglich alle Antworten kennen. Aber diese Antwort kannte ich.
    »Damit sie fliegen kann«, sagte ich. Und fing an zu laufen.
     
    Ich dachte, es würde so sein wie in meinen Träumen. War es aber nicht. Das Laufen fiel mir so leicht, wie einem alles leicht fällt, das einem mal alles bedeutet hat. Zwar waren die ersten paar Schritte noch ein bisschen wackelig, nicht rund, nicht gleichmäßig, und ich brauchte einen Moment, um meinen Atemrhythmus zu finden. Doch dann verfiel ich in mein ureigenes Tempo, alles andere verschwamm, bis nichts mehr existierte außer mir selbst und dem, was vor mir lag und mit jedem Schritt näher rückte. Wes.
    Als ich ihn einholte, war ich völlig außer Atem. Ich hatte ein knallrotes Gesicht und mein Herz schlug so wild, dass ich für einen Augenblick nichts anderes mehr hören konnte. Bevor ich ihn ganz erreicht hatte, drehte er sich erstaunt zu mir um. Zunächst sagte keiner von uns einen Ton. Ich musste sowieso erst mal wieder Luft kriegen.
    »Macy«, begann Wes schließlich. Es haute ihn offensichtlich um, dass ich ihm nachgerannt war, urplötzlich dicht vor ihm stand und keuchte. »Was   –«
    Ich unterbrach ihn, indem ich die Hand hob, »tut mir Leid« sagte, noch einmal tief durchatmete und fortfuhr: »Aber es gab eine Änderung.«
    Wes blinzelte mich verwirrt an. »Eine Änderung«, wiederholte er.
    Ich bejahte. »Bei den Regeln.«
    Im ersten Moment hatte er keine Ahnung, wovon ich sprach, daher dauerte es etwas, bis der Groschen fiel. Doch dann entspannte er sich und antwortete: »Ach so, ja, die Regeln.«
    »Genau.«
    »Davon wusste ich ja gar nichts«, merkte er mit feinem Unterton an.
    »Die Änderung ist auch gerade erst in Kraft getreten«, erwiderte ich.
    »Und das heißt?«
    »Das heißt, sie gilt ab sofort.« Ich wollte ihm so viel sagen, dass ich keine Ahnung hatte, womit ich anfangen sollte.
    »Macy.« Seine Stimme klang sanft. Er schaute mich sehr aufmerksam an. »Du brauchst nicht   –«
    »Die Regel.« Ich schüttelte abwehrend den Kopf. »Frag mich, worin die Änderung besteht.«
    Wes schob die Hände in die Hosentaschen und lehntesich leicht auf dem Absatz zurück. »Okay«, meinte er schließlich. »Was gibt es für eine neue Regel?«
    »Geändert haben sich die Voraussetzungen dafür, wann jemand gewonnen hat.« Noch einmal holte ich tief Luft. »So wurde es jedenfalls einstimmig beschlossen. Damit ich gewinne, muss
ich
die Frage beantworten, bei der
du
an dem Abend auf deinem Truck gepasst hast. Erst dann hätte ich wirklich gewonnen.«
    »Die Frage, bei der ich gepasst habe«, wiederholte Wes.
    Ich nickte. »So lautet die Regel.«
    Mir war vollkommen bewusst, dass in dem Schweigen, welches nun folgte, alles hätte passieren können. Vielleicht kam ich wieder zu spät. Vielleicht hatte ich wieder eine Chance verpasst. Doch zumindest hatte ich es versucht und diese Gewissheit würde mir bleiben. Ich hatte mein Herz in meine Hand gelegt und sie

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