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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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essen und sich einfach gut miteinander verstehen; dann entsteht eine fast greifbare Energie, durch die man Kleinigkeiten wie zerfetzte Zelte oder Gewitterschauer oder gar das Ende der Welt völlig vergisst. Nach einer Stunde wurde mehr als deutlich, dass diese Party im Haus meiner Mutter alle erforderlichen Zutaten   – und zwar in rauen Mengen   – besaß, um ein Erfolg zu werden. Daran bestand überhaupt kein Zweifel mehr.
    »Tolle Party, Deborah!«
    »Die Räume im Bistro-Stil herzurichten war eine klasse Idee!«
    »Köstlich, diese Fleischklopse!«
    Meine Mutter wurde mit Komplimenten geradezu überschüttet, während sie zwischen ihren Gästen umherging. Plauderte, nickte, lächelte, sich für die Komplimente bedankte. Ich hatte zum ersten Mal überhaupt den Eindruck, dass es ihr tatsächlich Spaß machte, sich mit ihrem Weinglasunter die Leute zu mischen und fröhlichen Smalltalk zu betreiben. Ausnahmsweise sah sie nicht so aus, als hätte sie ständig bloß ihre Portfolios im Hinterkopf und wie sie sie an den Mann beziehungsweise die Frau brachte oder als müsste sie unbedingt über die nächste Phase im Bauplan fachsimpeln. Ab und zu ging sie an mir vorbei, berührte mich kurz am Rücken, am Arm; doch wenn ich mich in der Annahme zu ihr umdrehte, sie wollte mir damit signalisieren, dass sie irgendetwas bräuchte oder ich bitte irgendetwas tun sollte, war sie schon wieder weitergegangen und warf mir höchstens rasch einen Blick über die Schulter hinweg zu. Lächelte mich an, bevor sie sich dem nächsten Gast zuwandte.
    Meiner Mutter ging’s gut. Mir ging’s auch gut. Zumindest würde es mir irgendwann gut gehen. Mir war klar, dass sich zwischen uns nicht alles an einem einzigen Tag verändern konnte und wir noch viel Diskussionsbedarf hatten. Anderthalb Jahre, um genau zu sein. Momentan bemühte ich mich allerdings, mich so gut wie möglich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Was gut klappte   – bis ich plötzlich Jason entdeckte.
    Er war gerade hereingekommen, stand, in Regenjacke, im Eingangsbereich und blickte sich suchend nach mir um. Nachdem er mich entdeckt hatte, rief er meinen Namen und kam rasch auf mich zu. Ich rührte mich nicht, sondern sah ihm stumm entgegen, bis er direkt vor mir stand. »Hallo, Macy.«
    »Hallo.« Ich nahm mir eine Sekunde Zeit, um ihn einfach bloß anzuschauen: den frisch geschnittenen, ordentlichen Haarschnitt, das konservative Poloshirt, das er sich in seine Khakihose gesteckt hatte. Er sah aus wie an dem Tag, an dem er abgeflogen war. Ob für mich wohl dasselbe galt?
    »Wie geht es dir?«, fragte Jason.
    »Gut.«
    In unserer Nähe standen ein paar Leute, die genau in diesem Augenblick in lautes Gelächter ausbrachen. Wir blickten zu ihnen hinüber, so dass unser Schweigen durch ihr Lachen ausgefüllt wurde. Schließlich meinte er: »Schön, dich zu sehen.«
    »Gleichfalls.«
    Jason stand vor mir, sah mich an. Ich war total verunsichert. Wusste nicht, was ich sagen sollte. Er trat noch einen Schritt näher an mich heran, beugte sich etwas vor und fragte: »Können wir uns irgendwo allein unterhalten?«
    Ich nickte. »Natürlich.«
    Als wir durch den Flur Richtung Küche liefen, hatte ich das Gefühl, dass uns jemand nachsah. Entweder Kristy, mit grimmigem Blick, dachte ich, oder Monica. Doch zu meinem Erstaunen war es keine von beiden, wie ich bemerkte, als ich mich umdrehte, sondern meine Mutter. Sie stand am Buffet, ihr Blick ruhte auf mir. Jason entdeckte sie ebenfalls und winkte ihr grüßend zu. Sie nickte mit einem leichten Lächeln zurück, ließ mich jedoch nicht aus den Augen, bis wir um die Ecke gebogen waren und ich sie nicht mehr sehen konnte.
    Die Tür von der Küche zum Garten stand offen. In dem Trubel war mir gar nicht aufgefallen, dass es zu regnen aufgehört hatte. Wir gingen hinaus. Alles tropfte und es war einigermaßen kühl, aber der Himmel hatte aufgeklart. Ein paar Leute standen in Grüppchen im Garten, redeten, lachten, einige rauchten, ihre Stimmen ein gleichmäßiges Auf und Ab. Jason und ich stellten uns ein wenig abseits auf die Stufen, die zum Rasen hinunterführten. Als ich mich zurücklehnte, spürte ich das nasse Geländer an meinen Beinen.
    »Ziemlich große Party«, meinte Jason und sah sich um.
    »Allerdings«, erwiderte ich. »Du kannst dir nicht vorstellen, was alles schief gegangen ist . . . der helle Wahnsinn.« Über seinen Kopf hinweg hatte ich durchs Küchenfenster eine ganz gute Sicht nach drinnen. Delia schob soeben

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