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Zwischen jetzt und immer

Zwischen jetzt und immer

Titel: Zwischen jetzt und immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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üblich säuberlich nebeneinander aufgereiht auf ihren Stühlen und erkundigten sich so herablassend, ob der Lunch mit meinen »Freundinnen« nett gewesen sei, dass ich die Anführungsstriche hören konnte. Auch ihr spöttisches Lächeln, nachdem ich die Frage bejaht hatte, oder ihr Getuschel machten mir nichts mehr aus. Sollten sie denken, was sie wollten   – es war mir egal. Nicht zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass ich nie so sein würde wie sie. Neu war die Erkenntnis, dass ich froh darüber war. Froh, nicht so zu sein wie sie.

Kapitel 11
    »Wisst ihr was«, sagte ich ungefähr zum hundertsten Mal, seit ich etwa zwei Stunden zuvor bei Kristy und Monica zu Hause angekommen war. »Ich glaube, ich fahre jetzt besser heim.«
    »Macy!« Kristy stand vor dem Spiegel und bewunderte sich in Seitenansicht: kurzer roter Rock, schwarzes Spaghettiträgertop und ein Paar hochhackige Sandalen, für die man einen Waffenschein gebraucht hätte. »Ich habe dir doch gesagt, du verpflichtest dich zu gar nichts, wenn du mitkommst. Wir gehen bloß mit ein paar netten Typen aus, sonst nichts. Jetzt mach nicht so einen Aufstand.«
    Aha, so lautete also ihre neueste Version des Plans für den heutigen Abend. Jedes Mal wenn ich einen Rückzieher machen wollte, beschrieb Kristy   – was ganz schön auffällig war   – die Aktion als noch einen Tick harmloser, unverbindlicher. Es ging um Folgendes: Vor ein paar Tagen, als
Wish Catering
eine Veranstaltung auszurichten hatte, bei der ich nicht dabei sein konnte, weil es sich mit meinem Job in der Bibliothek überschnitten hätte, hatten Monica und Kristy zwei Jungs kennen gelernt, die zwar nicht direkt in Kristys Kategorie ›Supertyp‹ fielen, aber doch zumindest, wie sie meinte, »viel versprechend« wirkten. Weil beide als Pizzaboten arbeiteten, konnte man sich mit ihnen erst zueiner Zeit verabreden, zu der Kristy und Monica normalerweise längst daheim sein mussten. Deshalb mussten wir warten, bis Stella vor dem Fernseher eingenickt war, und uns dann heimlich rausschleichen. Dass ich mit von der Partie sein sollte, hatte sich erst am Nachmittag entschieden; allerdings hatte Kristy es zunächst so dargestellt, als sollte ich doch bitte vorbeikommen und bei ihnen übernachten. Erst als ich   – im festen Glauben, wir würden uns einen gemütlichen Abend bei ihnen daheim machen   – gegen sieben ankam, eröffnete Kristy mir, dass ihre Typen einen dritten Kerl mitbringen würden und die Schwestern gebeten hatten im Gegenzug ein drittes Mädchen anzuschleppen.
    »Und ich habe dir gesagt, ich bin nicht interessiert   –«
    Ausgerechnet Monica unterbrach mich: »Jetzt!« Sie saß am Fenster, wollte sich eigentlich eine Zigarette anzünden und zeigte auf irgendetwas draußen vor dem Haus, das ich nicht sehen konnte. Augenblicklich lief Kristy zu ihr, stellte sich hinter ihren Stuhl, beugte sich etwas vor, damit sie besser sehen konnte, und fuchtelte gleichzeitig mit den Armen, damit ich mich zu den beiden gesellte.
    »Was ist denn los?«, fragte ich und spähte über Monicas Kopf hinweg durch das Fliegengitter. Es war schon fast dunkel. Alles, was ich sehen konnte, waren die letzten Strahlen des Sonnenuntergangs und ein Stück von Stellas Garten: ein paar Salatreihen, ein Beet mit Lilien, ein schmaler Weg in der Mitte.
    »Einen Moment noch«, flüsterte Kristy. »Es passiert jeden Abend ungefähr um die Zeit.«
    Ich rechnete damit, gleich einen besonderen Vogel zu sehen. Oder eine Blüte, die sich nur in der Dunkelheit entfaltet. Doch zunächst sah ich gar nichts, sondern hörte nuretwas. Ein leises, hämmerndes Geräusch, das mir bekannt vorkam; dennoch konnte ich es im ersten Moment nicht einordnen. Dabei wusste ich genau, was es war. Es war   –
    »Mmm-hmmm«, murmelte Monica, als Wes in Sicht kam. Er joggte mit raschen, regelmäßigen Schritten über den Gartenweg und blickte dabei konzentriert geradeaus. Er trug Shorts und Schuhe, sonst nichts. Auf seinem gebräunten Oberkörper glitzerte der Schweiß.
    Kristy neben mir seufzte sehnsüchtig. Der Seufzer dauerte ewig und hörte erst auf, als Wes zwischen ein paar Bäumen verschwunden und um eine Ecke gebogen war, hinter der in leichter Entfernung sein Haus lag, dessen Umrisse gerade noch zu erkennen waren.
    »Du lieber Gott.« Kristy fächelte sich mit einer dramatischen Geste Luft zu. »Das habe ich bestimmt schon eine Million Mal gesehen. Aber ich kann nicht genug davon kriegen. Dieser Anblick ist so . . . er ist immer

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