Zwischen jetzt und immer
etwa nicht?«
»Schon.«
»Und selbst du musst ab und zu was essen, nicht wahr?«
»Ja ja«, antwortete ich.
»Wo liegt das Problem?«, fragte sie.
»Es ist wahrscheinlich ein bisschen komplizierter, als du dir vorstellen kannst«, erwiderte ich. »Es wird nicht so gern gesehen, wenn ich meine Mittagspause nicht hier drinnen verbringe.«
»Wer sieht das nicht gern?«
Ich nickte Richtung Amanda und Bethany.
»Und das geht dir nicht am Arsch vorbei, weil . . .?« Kristy sprach betont langsam.
»Weil ich Angst vor ihnen habe«, antwortete ich achselzuckend. »Weil ich ein Loser bin. Egal, such dir was aus.«
Kristys Blick wurde schmal. »Du hast Angst vor diesen beiden Tussen?!«
Ich hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Warum hatte ich das bloß zugegeben? Ich fummelte an den Zeitschriften auf meinem Arm herum. »Glaub mir, es ist kompliziert.«
»Aber ich kapier’s nicht.« Kristy schüttelte den Kopf. »Ich meine, die beiden wirken so . . . so unzufrieden. Unglücklich. Warum solltest du Angst vor denen haben?«
»Sie sind nicht unglücklich.«
»Sie sind so was von unglücklich, dass man schon wieder Mitleid mit ihnen haben muss.« Kristy warf einen Blick Richtung Bethany und Amanda, die inzwischen beide zu uns rüberstarrten, und schüttelte den Kopf. »Schau sie dir doch an. Ehrlich. Sieh mal genau hin. Jetzt!«
»Kristy!«
»Schau hin.« Kristy nahm mein Kinn in die Hand und drehte meinen Kopf so, dass ich Bethanys und Amandas Blick erwidern musste. »Siehst du das etwa nicht? Sie sind blass und unscheinbar und total verkrampft. Ich meine, ichhabe nichts gegen Twinsets, überhaupt nicht, im Gegenteil, in dem Punkt bin ich nicht anders als viele andere Frauen. Trotzdem muss man, wenn man eins trägt, doch nicht aussehen, als hätte man einen Stock im Hintern. Da kann man noch so intelligent sein, das nützt einem überhaupt nichts, wenn man kein modisches oder sonst irgendein Bewusstsein hat. In dem Fall sieht nämlich alles Scheiße aus, egal, wie schön oder teuer es war. Und diese Glotzerei! Himmel, was soll das überhaupt?« Kristy räusperte sich. »Was soll das Geglotze?«, wiederholte sie laut und deutlich, so dass es in dem ganzen riesigen Raum zu hören war. »Was?«
Bethany wurde rot. Amanda machte den Mund auf. Und wieder zu.
»Pssst«, tönte es aus der Regalreihe nebenan.
»Selber pssssssst!« Endlich ließ Kristy mein Kinn los. »Jetzt pass mal auf, Macy«, sagte sie eindringlich. »Wenn sie so ein Verhalten toll finden, ist das ihre Sache, findest du nicht auch?«
Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte.
»Also abgemacht«, sagte Kristy. »Du machst gleich Mittagspause, weil du ein ganz normaler Mensch bist, der manchmal Hunger und vor allem keine Angst hat. Wann fängt deine Pause offiziell an? Um zwölf?«
»Ja«, antwortete ich gedehnt.
»Gut, wir warten draußen auf dich.«
Monica trottete gerade mit ein paar Büchern unterm Arm Richtung Ausgang.
»Um zwölf . . .?«, sagte ich zögernd.
»Jawohl. Wir sehen uns in einer Viertelstunde.« Kristy ließ ihren Blick noch einmal kurz durch den ganzen Raum wandern, bevor sie sich zu mir vorbeugte und in gedämpftem Ton sagte: »Ich meine, du musst zwischendurch hierraus, und sei es für eine Stunde. Zu viel Zeit an einem Ort wie diesem kann einem nicht gut tun. Ich meine, schau dir an, was aus den beiden geworden ist hier drinnen . . .«
Aber ich dachte darüber nach, was aus mir geworden war. Was mir das Hiersein angetan hatte, Tag für Tag. Wie unglücklich ich gewesen war, Tag für Tag. Mir wurde plötzlich klar, dass der Job an der Infotheke in vielem mit meinem Leben vergleichbar war, besser gesagt, mit meinem Leben vor
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und Kristy und Wes. Ein Leben, das man ertrug. In dem es nichts zu genießen gab. Nichts, das Spaß machte.
»Wir sehen uns draußen. Bis gleich«, sagte Kristy. Ließ die Sonnenbrille zurück auf die Nase plumpsen, drückte meinen Arm, spazierte Richtung Ausgang. Als sie unter dem riesigen Oberlicht herging, flammte sie förmlich auf, denn das Sonnenlicht strömte direkt auf sie herab, so dass es für eine Sekunde so aussah, als würde sie leuchten. Das Licht verfing sich in ihrem Haar und glitzerte, als wollte es einem zuzwinkern. Ich nahm diesen Moment sehr deutlich wahr, Amanda und Bethany ebenfalls. Und deshalb störten mich ihre abfälligen Bemerkungen auch nicht mehr. Denn als ich eine gute Stunde später von meiner Mittagspause zurückkehrte, saßen sie wie
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