Zwischen Krieg und Terror
imponiert auch seinen innenpolitischen Gegnern. Es ist mehr als ein üblicher machtpolitischer Schritt, mit dem er seine schwache Stellung im Herrschafsgefüge Irans festigen kann. Mit seinen Tiraden gegen das Existenzrecht Israels überwindet er die Krisen seiner ersten Amtswochen endgültig. In den Tagen der traditionellen GroÃdemonstrationen gegen Israel im Fastenmonat bezeichnet er den Holocaust als eine Legende, die Israel zur Unterdrückung der Palästinenser nutze. Er nennt Israel nicht einmal mit Namen, als er die Beseitigung des Staates der Juden fordert: »Ich bin überzeugt, dass in unserem geliebten Palästina eine neue Welle entstanden ist, eine neue Welle der Erleuchtung in der gesamten islamischen Welt. Und diese neue Welle der Religiosität wird sehr bald zur Beseitigung dieses Ãbels aus der islamischen Welt führen.« 25
Mit solchen Aussagen beschleunigt er den Kollisionskurs der Islamischen Republik mit dem Westen. Vergleichbare Verbalattacken gegen Israel hat es von führenden Politikern Irans seit Jahren nicht mehr gegeben. Ayatollah Khomeini hatte eine revolutionäre AuÃenpolitik propagiert, zu deren Zielen auch die Beseitigung Israels gehörte. Doch der jungen Islamischen Republik fehlten die Möglichkeiten, diese Politik umzusetzen. Siebenundzwanzig Jahre später verfügt Iran über Streitkräfte, deren Stärke etwa fünfhunderttausend Mann beträgt. Mit der Shahab-3-Rakete können die Revolutionswächter Israel sogar direkt unter Beschuss nehmen.
Während Ahmadinejad gegenüber den Nachbarstaaten wie Saudi-Arabien auf jede in den Tagen der Revolution entwickelte Rhetorik verzichtet und nicht mehr zum Sturz der dort Regierenden aufruft, lässt er seiner extrem antiisraelischen Einstellung weiterhin freien Lauf. Viele Führer der Revolutionswächter haben anders als Politiker aus dem Lager der Reformer ihre Drohungen gegen Israel auch in den Phasen der Neuorientierung der iranischen AuÃenpolitik nicht abgeschwächt. Ob sie tatsächlich zu einer militärischen Auseinandersetzung entschlossen sind, wird von der Entwicklung der Konflikte in der Region abhängen. Ahmadinejad kann sich bei seiner Politik gegen Israel auf diese Kräfte verlassen.
Die Anhänger des Präsidenten triumphieren, dessen innenpolitische Gegner schweigen. Sie sehen in den Angriffen auf das Existenzrecht Israels ein Ablenkungsmanöver. Einer der leitenden Manager eines staatlichen Fahrzeugkonzerns bezweifelt sogar, ob Ahmadinejad es mit seinen Reden ernst meint, denn für ihn steht fest: »Mit solchen Reden wird den Palästinensern nicht geholfen.« Auf meine Frage nach dem Motiv Ahmadinejads verweist er auf dessen Wirtschaftspolitik. Der Präsident habe kein Konzept, deshalb lenke er die Aufmerksamkeit auf die AuÃenpolitik. Und dann kommt der entscheidende Vorwurf: »Ich denke, diese Radikalität führt in die Isolation.« Viele Iraner befürchten, in den vergangenen Jahren mühsam wieder hergestellte Kontakte mit den europäischen Ländern und auch in die USA könnten erneut abreiÃen. Dennoch machen sie nicht gegen Ahmadinejad mobil.
Damit scheint dessen Konzept aufzugehen. Seine Kritiker halten sich zurück. In privaten Gesprächen wird an Vorwürfen gegen den neuen Präsidenten nicht gespart. »Machthunger«, »Abbau der Pressefreiheit«, »Dummheit« sind nur einige der Klagen, die ich von Reformpolitikern höre. Aber keiner ist bereit, in einem Interview Ahmadinejad offen zu kritisieren. Staatlicher Druck und politische Feigheit führen zu einer Lähmung der innenpolitischen Auseinandersetzung. Mohammad-Ali Abtahi, der ehemalige stellvertretende Staatspräsident, ist einer der wenigen, die sich zu dem selbst auferlegten Schweigen der Gegner Ahmadinejads offen äuÃern. Die Reformer würden sich nicht in die Politik einmischen, damit man ihnen nicht dessen Misserfolge anlasten könne. Abtahi ist sicher, dass Ahmadinejad scheitern wird. Deshalb sei Zurückhaltung geboten.
Auf das politische Klima des Landes wirkt sich die Zurückhaltung der Opposition verheerend aus. Monatelang wird die Politik der Regierung kaum noch öffentlich diskutiert. Die Schwächen der Reformer sind den Funktionären der unterdrückten Studentenbewegung wohl bewusst. »Sie schweigen, weil sie über keine klare Analyse und keine konkrete Strategie verfügen und keinen
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