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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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Revolutionsrats grenzt das bereits an Verrat. Denn im Sturz des Schahs sehen sie nur den ersten Schritt auf dem Wege, an dessen Ende sie alle ihnen verhassten Monarchen und politischen Führer in der islamischen Welt hinwegzufegen gedenken.
    Den Koran verstehen sie als Anleitung, jegliches Korrupte auf Erden zu beseitigen. Kapitalismus und Kommunismus sind für die Anhänger Ayatollah Khomeinis das ideologische Gift, mit dem die Gemeinde der Gläubigen geschwächt werden soll. Bereits in den Tagen des Aufstands gegen die Monarchie verteilen islamische Studentenvereinigungen Flugblätter mit Bildern, auf denen US-Präsident Carter dem Schah zuprostet. Aber auch die Sowjetunion und ihren Atheismus lehnen sie ab. Den Sozialismus verdammen sie ebenfalls als ein System, das eine auf religiösen Gesetzen beruhende Gesellschaft verhindern will.
    Trotzdem schließen sich vor allem in Teheran radikalislamische und linksradikale Kräfte in den Revolutionskomitees immer wieder zu Bündnissen zusammen. Oftmals kennen sich die Mitglieder dieser so verschiedenen Flügel, weil sie im Untergrund gemeinsam die Bewegung gegen die Monarchie angeführt haben. Ein solches Revolutionskomitee von Studenten plant die Besetzung der US-Botschaft, um eine erste vorsichtige Kontaktaufnahme zwischen US-Diplomaten und der Übergangsregierung gleich im Keim zu ersticken: Denn bereits am 1. November hatten sich in Algier Ministerpräsident Mehdi Bazargan und Außenminister Ibrahim Yazdi mit Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski getroffen. Am 4. November stürmen Studenten unter den Rufen »Tod Amerika« und »Tod dem Schah« den durch hohe Mauern gesicherten Gebäudekomplex der amerikanischen Botschaft und nehmen sechsundsechzig Angehörige der US-Vertretung als Geiseln. Dabei werden die Botschaftsbesetzer von einem Geistlichen angeführt, dessen Name auf der Lohnliste des sowjetischen Geheimdienstes KGB stehen soll.
    Bereits im Februar, nur Tage nach dem Sturz der Monarchie, hatte es einen ähnlichen Zwischenfall gegeben. In den nachrevolutionären Wirren waren marxistische Fedajin in die US-BOTSCHAFT eingedrungen und hatten William Sullivan, den Geschäftsträger Washingtons, gefangen genommen. Seinerzeit hatte Außenminister Yazdi diese Heißsporne nach wenigen Stunden zum Rückzug bewegen können. Doch diesmal nimmt die Besetzung einen anderen Verlauf: Der Revolutionsrat billigt den Gewaltakt der Studenten und stützt ihre Forderung, den geflohenen Schah im Gegenzug für die Geiseln an die Islamische Republik auszuliefern. Reza Pahlewi hält sich mittlerweile in den USA auf. Wenige Tage zuvor ist er aus Ägypten eingetroffen, um sich in einer amerikanischen Spezialklinik gegen Krebs behandeln zu lassen.
    Mit der Erstürmung der Botschaft werden nicht nur die Beziehungen zu den USA zerstört, sondern auch die innenpolitischen Weichen neu gestellt. Ministerpräsident Bazargan reicht bereits achtundvierzig Stunden später seinen Rücktritt ein. Khomeini nimmt das Gesuch an, löst die Regierung auf und überträgt dem Revolutionsrat die Regierungsgeschäfte und damit vollends die Macht. US-Präsident Carter lässt alle iranischen Guthaben in den USA einfrieren und untersagt Erdölimporte aus der Islamischen Republik. In Teheran spitzt sich die Lage dramatisch zu, Khomeini stellt sich auf die Seite der Geiselnehmer und droht, die Gefangenen vor Gericht zu stellen. Als er deren Freilassung trotz der Aufforderung des Weltsicherheitsrats verweigert und auch Geheimverhandlungen mit Iran scheitern, schwenken die USA auf eine Politik der Härte um.
    Fünf Monate nach der Botschaftsbesetzung verfügt Präsident Carter am 7. April 1980 den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Islamischen Republik und verhängt Wirtschaftssanktionen, denen sich die Staaten Westeuropas und Japan anschließen. Am 11. April beschließt der Nationale Sicherheitsrat der USA, die in Teheran festgehaltenen Botschaftsangehörigen durch ein militärisches Sonderkommando befreien zu lassen. Außenminister Cyrus Vance erklärt aus Protest gegen die geplante Militäraktion seinen Rücktritt. Er kann sich mit seinem Konzept von Verhandlungen auf diplomatischer Basis nicht gegen den Sicherheitsberater des Präsidenten, Brzezinski, und Vertreter des Verteidigungsministeriums durchsetzen. Dieses Scheitern des Außenministers ist ein spektakuläres

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