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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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Erdölvorräte nicht über ausreichende Mengen Benzin für den eigenen Bedarf verfügt. Auch bei der Elektrizität hat sich die Versorgung durch den steigenden Verbrauch dramatisch verschlechtert. Am Rande der Einkaufsstraßen werden vermehrt billige Klimaanlagen angeboten. Auch dieser Luxus vergrößert den Strombedarf enorm. In einigen Stadtvierteln Bagdads fällt die Elektrizität für Tage aus. Sollte dann einmal die Zuteilung funktionieren, so fließt der Strom für spärliche drei Stunden, um schließlich von einer ebenso langen Unterbrechung abgelöst zu werden. An sauberem Wasser mangelt es ebenfalls, und die Abwässer werden direkt in den Tigris geleitet, damit sie nicht die Elendsviertel verpesten.
    Trotz aller Notprogramme gelingt es nicht, die Reparaturen an den Kläranlagen zügig auszuführen. Programme, die Infrastruktur Iraks wiederzubeleben oder gar auszubauen, können nur sehr, sehr schleppend umgesetzt werden. Sabotage und Terroranschläge machen Erfolge nur zu oft sofort wieder zunichte. Fabriken, die trotz der Importschwemme billiger Konkurrenzartikel nicht schließen mussten, können nicht produzieren, weil ihnen der Strom oder der Treibstoff für ihre Generatoren fehlt. Zunehmend erobert der Schwarzmarkt den Treibstoffhandel. An Straßenecken verkaufen Jugendliche Benzin zu einem dreifach höheren Preis als an Tankstellen. In den Zeitungen werden Tankstellenbesitzer oder Mitarbeiter des Ölministeriums beschuldigt, die Schwarzhändler mit Benzin zu beliefern. Fischer verhökern lieber ihre staatlich zugeteilte Treibstoffration an Schmuggler, als die Motoren ihrer Boote mit dem Sprit zu füttern. Der Verkauf des Kraftstoffs bringt nämlich mehr ein, als sich mit tuckernden Kähnen auf dem Meer abzumühen. Eigentlich müsste der Benzinpreis um ein Vielfaches angehoben werden, da derzeit mit dreißig Litern für umgerechnet einen Euro der Verbrauch nur noch mehr angeheizt wird. Doch die Regierung kann die Preise nicht den Kosten anpassen, weil ihr das dafür nötige Durchsetzungsvermögen fehlt und Preiserhöhungen zusätzliche Proteste auslösen würden.
    Auch Monate nach der Besetzung Bagdads sind Stabilität und staatliche Ordnung noch nicht so weit wiederhergestellt, dass die Ministerien den Neuaufbau systematisch planen können. Unter den Bewohnern der Hauptstadt steigt die Unzufriedenheit mit der Besatzungspolitik auch deshalb, weil sich die Versorgungslage verschlechtert. Statt als Befreier die Sympathien der Iraker zu gewinnen, tragen die ausländischen Soldaten mit ihrem Unvermögen, den wirtschaftlichen Absturz zu stoppen, dazu bei, dass der Widerstand gegen sie nur noch wächst. Dieser Teufelskreis von wirtschaftlichem und politischem Chaos und ausufernder Gewalt wird noch dadurch erweitert, dass sich die Hoffnungen, den Wiederaufbau der Verwaltung, der Infrastruktur und der Wirtschaft mit den Einnahmen aus steigenden Ölexporten zahlen zu können, nicht erfüllt haben.
    Die Unfähigkeit, den Irak wirtschaftlich und sozial zu entwickeln, verschärft die Probleme der USA im Irak weiter. Dabei hat die US-Regierung allein im Oktober 2003 18,6 Milliarden Dollar für langfristige Wiederaufbauprogramme vorgesehen. Ein Teil des Geldes kann aber wegen der fehlenden Sicherheit gar nicht ausgegeben werden. Es wären schon genügend Projekte vorhanden, doch die Gefahr für die Techniker ist so groß, dass beispielsweise mit dem Bau verschiedener geplanter Kraftwerke, Kläranlagen oder Raffinerien nicht einmal begonnen wird.
    Wieder der fatale Teufelskreis: Fehlende Sicherheit erschwert Investitionen, und eigentlich für Bauvorhaben vorgesehene Mittel werden nun in den Sicherheitsbereich umdirigiert. Bis Anfang 2006 konnten von 136 Projekten im Bereich der Wasserversorgung ganze 49 zu Ende geführt werden. Von 425 in Angriff genommenen Projekten bei der Elektrizitätsversorgung wurden lediglich 300 beendet und nur 60 Prozent der ursprünglich geplanten zusätzlichen Kapazität erreicht. 16 Ähnlich schlecht fällt die Bilanz im Gesundheitswesen aus, da gerade mal 20 der 150 geplanten Tageskliniken den Betrieb aufnahmen. Stuart Bowen, der von der US-Regierung eingesetzte Generalinspekteur für den Wiederaufbau, beklagt die Beschneidung der Mittel für Wiederaufbauprojekte, während die Ausgaben für Sicherheitsmaßnahmen rasant gestiegen seien. 17 Allein

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