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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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    Mit unterschiedlichen Begründungen rechtfertigt Zarqawi Angriffe gegen Schiiten, die er in einer seiner Reden auch für den Beginn des Konflikts verantwortlich macht. Sie seien es gewesen, die Kämpfer der Sunniten ermordet und vertrieben hätten. Magdisi nutzt einmal sogar ein Interview mit dem arabischen Sender Al Jazeera für die Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Gefolgsmann Zarqawi über die Art, wie der heilige Krieg zu führen sei.
    Mobiltelefone spielen für die Kommunikation der Terroristen eine ebenso große Rolle. Natürlich wissen die Kommandos längst, dass ihre Gespräche möglicherweise überwacht werden. Und sie sind sich auch darüber im Klaren, dass der Geheimdienst den Standort ermitteln kann, von dem aus telefoniert wird. Doch ständige Ortswechsel, das Austauschen der SIM-KARTEN und Telefonate im fahrenden Auto sind Methoden, deren sich die Entführer der Deutschen Susanne Osthoff bedienten, um nicht geortet werden zu können. Viele der Terroristen halten sich in Funklöchern auf. Zum Telefonieren müssen sie in die nächste größere Stadt fahren. Wenn die Gespräche beendet sind, tauchen sie wieder ab.

Terroristen nutzen Stammesstrukturen
    Abgelegene Dörfer oder auch ganze Regionen im Nordwesten Iraks mit kleineren und mittleren Städten sind die Rückzug-gebiete, die Terroristen als Ruheräume nutzen. Oft wissen die Einheimischen dort nicht einmal, dass in den Nachbarhäusern Kommandos von Terrororganisationen Unterschlupf gefunden haben. Solange jemand für Fremde bürgt, mischen sich die Bewohner der ländlichen Regionen nicht ein. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, Menschen, die bei ihnen Zuflucht suchen, gegen ausländische Soldaten zu verteidigen. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um Menschen handelt, die gegen die fremden Besatzer kämpfen. Eine solche Haltung darf nicht überraschen, da sie bester Beduinentradition entspricht. Und zu dieser gehört die Ablehnung jeder Bevormundung durch Außenstehende.
    Früher habe es in der gesamten Region keine funktionierende Verwaltung gegeben, erklärt mir Sheikh Rakan Al Sroor in der jordanischen Wüste nahe der irakischen Grenze. 12 000 Menschen hören auf ihn, die Mitglieder des Stammes der Al Masaeed, zu deren Charakteristika eine Art angeborenes Misstrauen gegen Behörden gehört. Sheikh Al Sroor zufolge wurden diese zuvor von Ausländern gebildet, »die unsere Sitten nicht kannten und sich auch nicht um sie kümmerten«. Deshalb habe niemand deren Vorschriften akzeptieren können, »denn sie waren Besatzer oder Kolonialherren«. Der Ungehorsam gegenüber der Zentralregierung hat in der Wüste Tradition. Solch eine Einstellung hat auch Zarqawi geprägt. Denn er gehört einem der Nachbarstämme der Al Masaeed an. So verwundert es kaum, dass der Topterrorist keine Grenzen akzeptiert. In seinen Augen handelt es sich bei der Regierung in Bagdad um ein Marionettenregime der Ausländer. Folglich sind Kampf und Terror gegen die fremden Soldaten nicht nur erlaubt, sondern sogar Pflicht.
    In der Industriestadt Zarqa, nach der Zarqawi seinen Familiennamen gewählt hat, treffe ich seinen Cousin Ayman Al Khalayleh. Wie andere Bewohner des Viertels, in dem der Terroristenführer aufgewachsen ist, übt auch Ayman keine direkte Kritik an seinem Verwandten. Wenn dieser für jeden Bombenanschlag im Irak verantwortlich gemacht werde, handle es sich schlicht um Propaganda der USA. Mussab, auf dessen Ergreifung - tot oder lebendig - 25 Millionen Dollar ausgesetzt sind, sei ein ganz normaler Mensch. Andere Verwandte beteuern ebenfalls, der Cousin werde sich niemals zu Gewalt gegen unschuldige Menschen hinreißen lassen, das sei unvorstellbar. Aktionen gegen die US-Truppen finden Zustimmung, auch Ayman Al Khalayleh wünscht sich Krieg - und dass »jeder, der uns angreift und unser Land besetzt, getötet wird«.
    Genau nach dieser Formel handelt Zarqawi, wobei er den Kreis der Todfeinde erweitert hat. Sämtliche Mitarbeiter der Regierung in Bagdad und alle Schiiten dürfen oder müssen, wenn notwendig, getötet werden. Im Weltbild eines Beduinen handelt es sich um andere, um Eindringlinge, die nicht der Gemeinschaft der Stämme angehören und deshalb eliminiert werden müssen. Und diejenigen, die ihnen helfen, erwartet das gleiche Schicksal. Uraltes Beduinenrecht prägt bis heute

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