Zwischen Krieg und Terror
sind viele von ihnen bereit, sich am Kampf gegen die Ausländer zu beteiligen, ohne lange darüber nachzudenken, wie viel Schaden der Irak dabei nimmt.
Wiederholt hat das Land in seiner Geschichte unter Banden gelitten: So beklagte sich der Historiker Ibn Al Atir bereits vor achthundert Jahren über einen Mann namens Ibn Bakran, der mit seiner Horde Bagdad in Angst und Schrecken versetze. 10 Den Soldaten des Sultans gelang es im Jahr 1138 nicht, der Banditen habhaft zu werden. In Bagdad und dessen Umland nehme das Unwesen Ibn Bakrans und seiner Bande bedenkliche AusmaÃe an, berichtet Ibn Al Atir.
Das Plündern war eine unliebsame Begleiterscheinung dieser Art von Kriegführung. Unter der Herrschaft Harun Al Rashids, auf den sich Saddam Hussein so gern berief, wurden Alawiten verfolgt und ihres Hab und Guts beraubt. 1802 zerstörten 20 000 Wüstenkrieger unter der Führung des wahhabitischen Prinzen Saud die den Schiiten heilige Stadt Kerbala, massakrierten tausende Pilger, plünderten die Heiligtümer und schändeten den Schrein Imam Husseins, indem sie ihn als Stall für ihre Pferde missbrauchten. Zwei Jahre später fielen dieselben Horden raubend und zerstörend über die Schiitenstadt Nadjaf her. Das waren Feldzüge von Wüstenbewohnern, die in ihrer puristischen Auslegung des Islam Anhänger einer anderen Glaubensrichtung ausrotten wollten.
Auch Saddam Hussein machte im Grunde genommen keine Ausnahme, als er seine Soldaten 1991 Kuwait verwüsten und alles, was nicht niet- und nagelfest war, abtransportieren lieÃ. Als die Schiiten seine Niederlage im Krieg gegen die von den USA geführte Allianz für einen Aufstand nutzen wollten, lieà er Tausende umbringen, ohne dass in der Nähe stationierte US-SOLDATEN eingriffen. Schon in den achtziger Jahren wurden viele Schiiten iranischer Herkunft vertrieben und ihr Besitz daraufhin beschlagnahmt.
So steht Zarqawis Bombenkrieg gegen die Schiiten in einer langen Tradition. Wieder werden Andersgläubige zur Flucht gezwungen und ihres Eigentums beraubt. Zarqawi versucht die Querelen und zahlreichen Racheakte auszunutzen, die das Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten seit dem Sturz Saddam Husseins belasten. Die Streitigkeiten beider Glaubensrichtungen sind in blutige Auseinandersetzungen ausgeartet. Aus Iran zurückgekehrte schiitische Flüchtlinge wollen Vergeltung für das erlittene Unrecht in den achtziger Jahren. Auf der anderen Seite machen die aus den Machtpositionen verdrängten Sunniten gegen die Schiiten mobil, die nun an ihrer Stelle die Schalthebel des Machtapparats in Bagdad betätigen. Diese Spannungen will Zarqawi nutzen, um den vom ihm angestrebten Bürgerkrieg zu entfachen.
Terror für den Bürgerkrieg
Mit dem Anschlag auf Ayatollah Hakim begann Zarqawi den Kampf gegen die Schiiten, dem Attentate auf Pilger und Moscheen folgten. Dabei ist nicht mehr entscheidend, ob es immer wieder Al-Kaida-Kommandos sind, die im Irak zuschlagen. Denn deren Vorgehensweise wird von Dutzenden kleinerer Gruppierungen übernommen, wenn sie die Wirkung der ersten groÃen Anschläge erkennen. Der Einfluss dieser Nachfolgetäter beschränkt sich in Bagdad auf einige StraÃenzüge oder einen Stadtteil, in den Provinzen auf ein paar Dörfer oder eine kleine Stadt. Diese jungen Männer sind Zarqawi blind ergeben und befolgen seine über das Internet verbreiteten Aufrufe, wobei sie nicht selten mit finanzieller oder logistischer Unterstützung Al Kaidas rechnen können.
Hatten noch Kader des gestürzten Regimes in den Monaten nach der Besetzung Bagdads Widerstandszellen organisiert, ausgerüstet und finanziert, so übernehmen achtzehn Monate später mehr und mehr Al Kaida nahe stehende Organisationen diese Aufgabe. Zarqawi kommt diese Entwicklung sehr entgegen. Einerseits hat er zusammen mit engen Getreuen die stärkste aller Gruppierungen aufgebaut, nicht zuletzt weil er über eine Strategie für den Kampf verfügt. Andererseits profitiert er von der von den US-Streitkräften gegen ihn entfachten Propaganda. Im Pentagon hatten die Planer der psychologischen Kriegführung ein Konzept entwickelt, um den Widerstand zu diskreditieren und den Einsatz der US-Truppen besser rechtfertigen zu können. Deshalb galt Zarqawi unter Irakern auch monatelang als eine vom Pentagon erfundene Phantomfigur. Dem Jordanier konnte das nur recht sein, denn dies trug zusätzlich
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