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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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für solche Anschläge vor allem darin liegen dürften, das politische System in seiner Heimat zu schwächen, lässt sich doch erahnen, dass Zarqawi seine Attentate internationalisieren will. Denn die 56 Toten der Bombenattentate von Amman stammten aus sechs verschiedenen Ländern.
    Im Irak richten sich ab Dezember 2004 nahezu alle spektakulären Selbstmordanschläge gegen Schiiten. Auch die Angriffe auf Rekrutierungsbüros von Polizei und Armee sollen in erster Linie schiitische Freiwillige treffen - so wie bei dem Selbstmordattentat am 28. Februar 2005, bei dem in der Schiitenstadt Hilla 125 Menschen umkommen. Bei der Bombenexplosion inmitten einer Menge Wartender vor einem Rekrutierungsbüro in der Kurdenstadt Arbil sterben 60 Menschen. Am 14. September werden allein in Bagdad bei zwölf Selbstmordanschlägen 152 überwiegend arme Schiiten getötet. Diese Art des Terrors wird von Zarqawi inspiriert, mit großer Wahrscheinlichkeit auch organisiert und anschließend durch zahlreiche Erklärungen begründet.
    Sunniten bleiben anders als bei den Anschlägen im Jahr 2004 meist verschont. Damit wird der Hass der Schiiten gesteigert. Reagierten diese zuvor mit Abscheu und richteten ihre Wut gegen Terroristen, so machen sie jetzt verstärkt die Sunniten generell für die Attentate verantwortlich. Doch es bleibt bei vereinzelten Racheakten, vor allem weil die religiösen Würdenträger zur Mäßigung aufrufen.
    Infolge der Attentatsserien werden die Trennungslinien in der irakischen Gesellschaft zunehmend schärfer und die Gräben zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden immer tiefer. Entsprechend verstärkt die Parlamentswahl im Dezember 2005 in der Politik noch jene Blockbildung, die der drohenden Aufspaltung des Landes in drei Teile entspricht. Gesamtirakische Listen erhalten nur gut zehn Prozent der Sitze, wohingegen die Parteien der Schiiten, Kurden und Sunniten den großen Rest weitgehend unter sich aufteilen.
    Die Lunte am Pulverfass des Bürgerkriegs glimmt, der sich am 22. Februar 2006 mit einer spektakulären Explosion endgültig Bahn bricht. Bewaffnete überwältigen die Wächter des Askari-Schreins mit seiner vergoldeten Kuppel, zünden einen Sprengsatz und bringen den Komplex zum Einsturz. Innerhalb von Stunden kommt es zu Racheakten der über die Zerstörung ihres Heiligtums aufgebrachten Schiiten. In Bagdad und mehreren Städten Südiraks werden sunnitische Moscheen angegriffen und deren Prediger ermordet. Großayatollah Sistani, der einflussreichste Geistliche unter den Schiiten, ruft zu Ruhe und Zurückhaltung auf. Doch der lange befürchtete Bürgerkrieg bricht nun offen aus. Hatte der Kreislauf von Anschlägen der Selbstmordattentäter sunnitischer Terrorbrigaden und von Mordaktionen schiitischer Todesschwadrone gegen sunnitische Persönlichkeiten bislang die Atmosphäre aufgeheizt, so entladen sich die Spannungen nun insbesondere im Großraum Bagdad. Angehörige der jeweils anderen Glaubensgemeinschaft werden wahllos ausgeraubt, vertrieben und ermordet.
    Al-Kaida-Führer Zarqawi hat eines seiner Ziele erreicht. Auch für die Sprengung des Askari-Schreins trägt die Terrororganisation die Verantwortung, erklärt Iraks nationaler Sicherheitsberater Mowaffak Al Rabaie. 12 Einer der Attentäter sei ein Tunesier und habe seine Beteiligung an dem Anschlag bereits gestanden. Abu Kudama, so der Name des mutmaßlichen Attentäters, sei bei einem Gefecht mit Soldaten der irakischen und der US-ARMEE festgenommen worden. Im Verhör habe er zugegeben, zusammen mit vier Saudis hunderte Iraker getötet zu haben. Schon immer haben Indizien eine systematische Planung der Terrorakte vermuten lassen, und sollten die Aussagen Rabaies zutreffen, so gäbe es einen weiteren Beweis dafür, dass Al-Kaida-Kommandos den Ausbruch eines Bürgerkriegs provozieren. Zarqawi verfolgt jedoch wesentlich weiter gehende Pläne, die allerdings am 7. Juni jäh zunichte gemacht werden.
    Denn an diesem Tag wird der Jordanier bei einem Bombenangriff der US-Luftwaffe in seinem Versteck in dem Dorf Hibib achtzig Kilometer nördlich von Bagdad getötet. Jordanische Agenten haben entscheidende Hinweise über den Aufenthaltsort des Al-Kaida-Chefs erhalten und ihre US-Kollegen informiert. Amerikanische Hubschrauber setzen Spezialeinheiten in der Nähe des Hauses ab, in das sich der Topterrorist zurückgezogen hat.

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