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Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
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dazu bei, ihm in wenigen Monaten eine Popularität zu verschaffen, die ihm ansonsten bestimmt versagt geblieben wäre. Systematisch nutzt er diese errungene Position nun, um seinen Einfluss auf Dutzende von Untergrundgruppierungen zu erhöhen.
    Waren deren Aktionen in den ersten Monaten nach dem Sturz Saddam Husseins noch fast ausschließlich gegen die US-TRUPPEN gerichtet, so sorgen Zarqawis Leute mit ihren skrupellosen Anschlägen auf die Hauptquartiere internationaler Organisationen, auf Pilgerzüge Andersgläubiger oder auf Polizeistationen und die Rekrutierungsbüros der irakischen Armee inzwischen für die Ausweitung der Kampfziele und eine weitere Brutalisierung der Untergrundgruppen. Von denen haben inzwischen viele ihre Taktik umgestellt. Sie greifen nicht mehr Fahrzeugkolonnen der Amerikaner an, die sich zudem immer besser zu schützen wissen, sondern nehmen nun Polizeistationen, Konvois der irakischen Armee und Regierungsgebäude ins Visier. Oberstes Ziel der Aufständischen ist nun nicht mehr die Vertreibung der ausländischen Soldaten, sondern die Beendigung des politischen Prozesses, demokratische Verhältnisse im Irak einzuführen.
    Die von Zarqawi inspirierten Zellen Al Kaidas sind bereits einen Schritt weiter: Sie wollen einen Bürgerkrieg initiieren, um einen sunnitischen Staat gemäß ihren Vorstellungen zu schaffen. Und zur Realisierung dieses Vorhabens ist ihnen jedes Mittel recht. Zarqawi antwortet auf Kritik an dieser Einstellung seitens seines ehemaligen Mentors Al Magdisi, bei den Opfern handle es sich um etwas, das »muslimische Rechtsgelehrte gemeinhin als ›unbeabsichtigtes Töten‹ bezeichnen«, das hingenommen werden müsse. 11 Ihr Kampf gilt nicht dem Abzug der ausländischen Truppen aus dem Irak, sondern dem Sieg über die Ungläubigen und der Errichtung einer islamischen Ordnung nach eigenem Gutdünken. Jedweder Nationalismus ist da fehl am Platz. Auch deshalb fällt es Al Kaida im Irak so leicht, neue Kämpfer unter den Beduinen zu rekrutieren, da deren Nationalbewusstsein so gut wie gar nicht ausgeprägt ist.
    Diese Änderung der Zielsetzung spiegelt sich auch in der Benennung jener Organisationen wider, in denen Zarqawi eine immer größere Rolle spielt. 2003, während des Irakkriegs, war er Mitglied der »Ansar al Islam« (»Helfer des Islam«), die bereits Ende des Jahres in der »Ansar as Sunna« (»Helfer der Sunna«) aufging. Dieser Akzentverschiebung hin zur sunnitischen Glaubensrichtung schloss sich - mit der Betonung auf »heiliger Krieg« - eine Gruppierung namens »At Tauhid wa al Jihad« (»Monotheismus und heiliger Krieg«) an. Am 17. Oktober 2004 folgte dann die Bekanntgabe der Bildung des irakischen Zweigs Al Kaidas mit der Bezeichnung »Al Kaida Bilad ar Rafidain« (Basis im Zweistromland). In der schnellen Wandlung der Namen kommen die rasante Entwicklung von Widerstand und Terror im Irak und der unaufhaltsame Aufstieg Zarqawis zum Ausdruck. Denn er wird von Osama bin Laden im Dezember als Befehlshaber der irakischen Al-Kaida-Filiale bestätigt.
    Mit dieser Weihe fällt ihm faktisch das Kommando über alle im Irak operierenden Gruppen zu, die sich der Al Kaida zugehörig fühlen. Großspenden aus der islamischen Welt und aus den arabischen Nachbarstaaten fließen direkt an ihn. Dieser Zuwachs an Macht und Einfluss ermöglicht es Zarqawi, sein Ziel, den Kampf gegen Aktionen der Regierung, noch schneller zu erreichen. Offen propagiert er entsprechende Terrorakte.
    Im Geheimen organisiert er bereits die Anschläge, mit denen er den Irak in einen Bürgerkrieg treiben will. Bei Aktionen, zu deren Urheberschaft er sich nicht bekennt, stützt er sich vor allem auf Ausländer, die aus der gesamten islamischen Welt kommen, um sich am Kampf gegen die ausländischen Besatzer zu beteiligen. Diesen Freiwilligen fehlen allerdings die Skrupel, Angehörige einer anderen Glaubensrichtung zu ermorden, da deren Nationalität die gleiche ist. Zarqawi ist sich der Hemmschwellen einzelner Aktivisten bestens bewusst. Während er Araber aus anderen Staaten für Selbstmordaktionen gegen irakische Schiiten oder deren Moscheen einsetzt, beordert er im November 2005 eine Gruppe Iraker in die jordanische Hauptstadt Amman, wo sie Selbstmordanschläge in verschiedenen Hotels, unter anderem auf einer Hochzeitsfeier, verüben sollen. Auch wenn die Motive

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