Zwischen Krieg und Terror
davon ausgegangen, dass die Attentäter nicht von der Terrororganisation lenkt wurden, sondern dass die jungen Männer sich in ihren Wohnquartieren im englischen Leeds radikalisiert und ohne Steuerung aus dem Ausland in GroÃbritannien eine Zelle gebildet und den Anschlag vorbereitet hätten.
Vertreter westlicher Geheimdienste warnen zwar vor einer allgemeinen Gefahr durch islamistischen Terrorismus und bestätigen damit die Einschätzung, dass seit den Kriegen in Afghanistan und Irak die Bereitschaft radikaler Moslems zugenommen hat, sich an Anschlägen zu beteiligen. Doch gerade wegen der Möglichkeit der Schulung über das Internet besteht die Gefahr, dass sich junge Radikale, die nicht einmal in Ausbildungslagern gewesen sein müssen, zusammenschlieÃen, um eine Zelle für einen Terroranschlag zu bilden. Damit entwickeln sich neue Möglichkeiten für eine Beteiligung am heiligen Krieg, der weltweit geführt wird. Derartige Metastasen des Terrors können entstehen, weil die zweite Generation von Einwanderern - in GroÃbritannien und Frankreich sollte man besser von der dritten sprechen - in den Ghettos westeuropäischer Städte im Gefühl der Benachteiligung aufgewachsen ist. Wirtschaftliche Probleme treffen junge Ausländer besonders hart. Ihre fehlende Integration beantworten sie mit einem neuen Selbstbewusstsein und der Rückorientierung auf die Werte ihrer Eltern oder GroÃeltern. Und gerade damit werden sie anfällig für eine Radikalität, die im Terrorismus enden kann.
Diese Entwicklung sehen Vertreter der Geheimdienste genau, sie neigen aber dazu, Al Kaida zu unterschätzen, obwohl die Stärke der Organisation in den arabischen Staaten zugenommen hat. Bereits im September 2001 hat mich ein ehemaliger Mitarbeiter des jordanischen Geheimdienstes, der Anfang der neunziger Jahre für den Kampf gegen den islamistischen Radikalismus zuständig war, davor gewarnt, Al Kaida zu unterschätzen. »Ihr werdet die Mitglieder niemals fassen können«, lautete sein Urteil. Für mich schockierend war damals, dass er genau wie mehrere an einem traditionellen Essen beteiligte Offiziere der jordanischen Armee seine Sympathie für die Terrororganisation Bin Ladens immer wieder durchscheinen lieÃ.
So wäre es fahrlässig, davon auszugehen, dass die Einreise von Kadern der Al Kaida nach Europa allein durch polizeiliche Methoden und geheimdienstliche Aufklärung verhindert werden kann. Dies mag in sehr vielen Fällen gelingen. Auch in Deutschland wurden im Mai 2006 ein Syrer und ein Iraker festgenommen, denen die Bildung eines Schleuserringes angelastet wird, über den selbstverständlich auch aktive Kämpfer nach Deutschland geleitet werden könnten. GröÃere Mobilität und Netzwerke für illegale Flüchtlinge werden von Sympathisanten des Terrors betrieben, um am Elend von Flüchtlingen zu verdienen und diese Menschen, die vor dem Terror in ihren Heimatländern fliehen, dazu zu benutzen, Reisebewegungen von Terroristen zu verschleiern. Doch selbst wenn die Zahl der verhinderten Anschläge mittlerweile gröÃer ist, als öffentlich bekannt wird, und sich damit eine erfolgreiche Fahndungsarbeit untermauern lieÃe, werden sich Terrorakte langfristig nur verhindern lassen, wenn die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten gelöst werden und damit dem islamistischen Terrorismus der Boden entzogen wird.
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Historisches Umdenken
Rekordhoch bei US-Militärausgaben
Beängstigend wirkt die Hartnäckigkeit, mit der die US-Regierung an ihrem militärischen Konzept des Feldzugs gegen den Terror festhält. Verteidigungsminister Rumsfeld sieht zwar, dass sich Irak zur zentralen Front des Krieges gegen den Terror entwickelt hat, aber er ignoriert, dass Al Kaida auch wegen der von den USA gewählten Taktik in dieser Auseinandersetzung erstarken konnte. Intern mögen amerikanische Politiker drei Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins unzählige Fehler einräumen, gleichwohl beharren sie auf ihrem militärischen Konzept, dem sich ein bedeutender Teil der neuen Staatsverschuldung der USA verdankt.
Im Juni 2006 bewilligte das US-Repräsentantenhaus weitere 52 Milliarden Euro für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan. Nur Stunden vorher reiste Präsident Bush das zweite Mal nach Bagdad, um diesen Zusatzausgaben durch seinen Auftritt eine groÃe parlamentarische Mehrheit zu sichern. Mit
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