Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen Krieg und Terror

Titel: Zwischen Krieg und Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tilgner
Vom Netzwerk:
Misstrauen, den USA sei gar nicht an einer Entwicklung der Region gelegen, gewinnt immer stärker die Oberhand. Es sind nicht einzelne Fehler, die den USA angelastet werden, sondern es ist das Ausmaß des Scheiterns insgesamt, das auf Unverständnis stößt und sich in Hass verwandelt. Wenn trotz des Einsatzes von Milliarden Dollar Hilfsgeldern der Opiumanbau in Afghanistan zunimmt, wenn Hilfsprogramme unter militärischem Schutz verwirklicht werden müssen und Schülerinnen von ausländischen Soldaten auf dem Weg zum Unterricht begleitet werden, ist die Politik des Neuaufbaus zunächst einmal gescheitert.
    Ohne eine schonungslose Kritik der bisherigen Fehler und ohne radikale Änderungen im Auftreten ausländischer Soldaten können die Probleme im Irak und in Afghanistan nicht gelöst werden. Ziel muss nicht die Fortsetzung oder Verbesserung der bisherigen Politik, sondern deren rigorose Veränderung sein. Wenn selbst der oberste NATO-Kommandeur in Afghanistan vermutet, dass sich bis zum Frühjahr 2007 entscheiden wird, ob große Teile der afghanischen Bevölkerung die Seite wechseln und künftig die Taliban unterstützen, dann kann die Dramatik der Situation deutlicher nicht zum Ausdruck gebracht werden. Denn die von ihm genannte Halbjahresfrist fällt in den Winter. Damit können Änderungen nur begrenzt vorgenommen werden, da weite Teile der Regionen nicht zugänglich sind.
    Wenn Offiziere es als Erfolg sehen, dass NATO-Verbände Hunderte von Aufständischen getötet haben, zeichnet sich damit ein noch größeres Scheitern ab. Denn Erfolge müssen an einer Verringerung der Zahl der Toten, an der Eindämmung der Korruption und an einer Verstärkung der Hilfsmaßnahmen gemessen werden. Zunehmende Kämpfe steigern die Konfrontation und vergrößern Feindbilder. Dabei bildet deren Abbau eine Voraussetzung für die Beruhigung der Situation.
    Bereits wenige Kilometer südlich von Kabul gelten Ausländer als Feinde, von denen sich Bauern unterdrückt fühlen. In einem Tal der Provinz Wardak habe ich im September ausschließlich Kritik und Ablehnung gehört. Es wird kaum möglich sein, in solch einer Atmosphäre einen raschen positiven Wandel herbeizuführen. Die Bewohner ganzer Regionen haben sich von der Regierung abgewendet. Sie müssen für einen grundsätzlichen Neuanfang gewonnen werden. Es geht darum, die Bereitschaft, mit der Regierung in Kabul zusammenzuarbeiten, auf eine neue Basis zu stellen.
    Diese Neuorientierung können ausländische Soldaten nur begrenzt bewirken. Einer der Gründe dafür ist, dass auf fremden Truppen eine schwere Hypothek lastet, da sie in der Geschichte immer wieder aus dem Land vertrieben wurden. Alexander der Große scheiterte genauso wie die Kolonialtruppen Großbritanniens, von denen 1842 nur ein Sanitätsarzt das Vordringen nach Afghanistan überlebte. Auch die Armeen der ehemaligen Sowjetunion wurden von Aufständischen zum Rückzug gezwungen. So steht die NATO vor der Aufgabe, zu beweisen, dass ihre Kontingente nicht als Besatzer, sondern als Beschützer eingesetzt sind, die ein Wiederaufbrechen des Bürgerkriegs verhindern sollen. Mit den laufenden Kampfeinsätzen wird genau dieser Auftrag unterminiert. Bei den Gefechten wird Vertrauen sehr schnell zerstört. Dieses wieder herzustellen kostet Zeit und Mühen, wenn es denn überhaupt möglich ist.

Religion verdrängt Nationalismus
    Schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs sehen sich die Staaten des Westens im Nahen und Mittleren Osten mit einem wachsenden Misstrauen konfrontiert. Richtete sich diese allgemeine Stimmungslage zunächst noch gegen die ehemaligen Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich, so sind im Verlauf der Entwicklung zunehmend die USA davon betroffen. Mit der Gründung des Staates Israel entzündete sich ein Dauerkonflikt, dessen friedliche Beilegung sich bis heute nicht abzeichnet. Die Araber sahen in dem Beschluss der Vereinten Nationen, das historische Palästina 1948 zu teilen und je einen Staat für Juden und Palästinenser zu gründen, einen äußeren Angriff auf die Region. Aus der Rückschau entpuppt es sich als schwerer Fehler, dass die internationale Gemeinschaft die Realisierung des Teilungsplans nicht erzwungen hat und dass zwei Staaten gebildet wurden.
    Dieser Fehler setzt sich bis heute fort. Wenn es um den palästinensisch-israelischen

Weitere Kostenlose Bücher