Zwischen Leidenschaft und Liebe
Gefallen. Sie standen nur da und schauten ihr zu.
Nyssa erbrach sich nicht, und das Gift blieb in ihrem Körper.
Claire hielt Nyssas Körper in ihren Armen und spürte, wie er schlaff wurde. »Nyssa!« rief Claire, dann noch einmal lauter: »Nyssa!« Claire schüttelte sie.
Trevelyan zog Claire von dem leblosen Körper weg. »Die beiden werden sich jetzt um sie kümmern.« Und der Mann mit der Flöte begann wieder diese grauenvolle Melodie zu spielen.
Claire war wie vor den Kopf geschlagen. Sie war soeben Zeugin eines Selbstmordes geworden. Eine junge Frau, die sie liebgewonnen hatte, hatte sich umgebracht. »Du hättest das verhindern können«, flüsterte sie. »Du wußtest, daß sie das tun wollte. Du hörtest, wie dieser Mann die Flöte im Theater spielte.«
»Ja«, erwiderte Trevelyan leise. »Ich wußte, daß ihre Zeit gekommen war. Wenn die Perle des Mondes ihren Totentanz aufführt, wird sie drei Tage später sterben.«
Claire sah Nyssa an. Wenn es überhaupt möglich war, sah sie im Tode noch schöner aus als im Leben. Claire drehte sich zu Trevelyan um. »Wie konntest du das zulassen?« Und mit noch lauterer Stimme: »Du hättest es verhindern können. Du hättest etwas dagegen unternehmen können!«
»Ich entscheide nicht über das Leben anderer Menschen«, erwiderte er mit blitzenden Augen.
Claire wußte, daß er damit sowohl ihre Beziehung wie auch Nyssa meinte. »Es berührt dich nicht, wie? Dir liegt nicht genug an mir oder an Nyssa, nicht wahr? Du läßt sie sterben, weil du dir nichts aus Menschen machst.«
Hinter ihr war die Flöte verstummt. Claire drehte sich um, und als sie die beiden Männer mit ihrer gräßlichen blauen Bemalung auf ihren dunklen Körpern auf Nyssa zugehen sah, wurde ihr übel bei dem Gedanken, daß sie Nyssa nun anfassen würden. Es waren diese Männer und deren primitive Religion, die so ein einfältiges Mädchen wie Nyssa dazu überredet hatten, für ihren Glauben zu sterben.
»Laßt sie in Ruhe!« schrie Claire die beiden Männer an. »Rührt sie nicht an! Habt ihr nicht gehört? Ihr sollt sie nicht anfassen!«
Die beiden Männer blieben vor Nyssa stehen. Sie verstanden zwar Claires Worte nicht, aber den Ton, in dem sie sie gesprochen hatte. Einer der beiden wollte den Becher aufheben, aber Claire kam ihm zuvor. Sie betrachtete die ungeschliffenen Rubine in den primitiven Fassungen, und sie haßte diesen Becher. Sie sah einen Felsblock in der Nähe.
Wie eine Schlafwandlerin ging sie auf den Felsblock zu, den Becher in der ausgestreckten Hand. Sie hob den Arm, um ihn zu zerschmettern, aber Trevelyan faßte nach ihrem Handgelenk und hielt es fest.
»Das kannst du nicht machen«, sagte er leise. »Es war Nyssas Wunsch, daß der Becher ihrem Volk zurückgegeben wird.«
»Damit er wieder jemandem den Tod bringen kann?« fauchte Claire ihn an.
Trevelyan hielt noch immer ihren Arm fest und blickte ihr in die Augen. »Ja, der Becher ist älter, als wir es uns vorstellen können.« Er betrachtete den Becher mit traurigem Blick. »Für jede Perle des Mondes, die daraus getrunken hat und starb, bringen sie einen Rubin am Becher an.«
Voller Entsetzen starrte Claire den Becher an, den sie in der Hand hielt, und die vielen, unglaublich vielen Rubine, die daran befestigt waren. Sie öffnete die Finger, um dieses abscheuliche Gefäß auf den Felsen fallen zu lassen, aber Trevelyan fing ihn auf, ehe er den Stein berührte.
Claire wich einen Schritt zurück. »Du hast das alles gewußt und es dennoch geschehen lassen«, flüsterte sie.
Hinter ihr wandten sich die beiden Männer erneut Nyssa zu. »Nehmt eure schmutzigen Hände von ihr!« schrie sie und stellte sich zwischen sie und Nyssa.
Trevelyan trat zu ihr. »Sie werden sie nun in ihre Obhut nehmen.«
Claire sah zu ihm auf. In ihren Augen spiegelte sich Abscheu und der Haß, den sie in diesem Augenblick für ihn empfand.
Trevelyans dunkle Augen veränderten sich nicht. Er betrachtete Nyssa. »Sie müssen eine Zeremonie durchführen. Anschließend wird der Körper verbrannt, und die Asche wird nach Pesha zurückgebracht. Es ist eine lange Reise für die beiden und ...«
Claire konnte seine Kälte nicht länger ertragen. Sie drehte sich um und trommelte mit beiden Fäusten gegen seine Brust. »Ich hasse dich! Hast du gehört! Ich hasse dich! Du hast sie umgebracht. Du hättest sie ebensogut erschießen können. Du hast sie getötet!«
Trevelyan machte keine Anstalten, ihre Hände festzuhalten. Er versuchte nur zu
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