Zwischen Leidenschaft und Liebe
sie mit ihren Erklärungen fortfuhr.
»... meine Mutter möchte wichtig genommen werden und das Gefühl haben, daß sie etwas darstellt. Ich glaube, man hat ihr in ihrer Jugend zu oft gesagt daß sie ein Niemand sei.«
»Und was wünschst du dir, Mädchen?«
»Liebe«, sagte sie rasch und lächelte dann. »Und vielleicht eine Beschäftigung. Es fällt mir schwer, untätig zu sein.«
Angus sah sie an und lehnte sich an die Wand zurück. Er wußte, daß sie jetzt jeden Moment einschlafen konnte. »Wenn du ändern könntest, was hier im argen liegt - was würdest du zuerst tun? Sollen wir die brachliegenden Felder beackern? Würdest du eine amerikanische Fabrik eröffnen und Wagen herstellen oder dergleichen?«
Claire lächelte. »Nein. Zuerst würde ich Leatrice mit James Kincaid verheiraten.«
Angus ließ ein spöttisches Schnauben hören. »Und ich hatte gedacht, du würdest es ernst meinen. Du wünschst dir Liebe und sonst nichts.«
Claire lächelte mit geschlossenen Augen. »Mein Großvater sagte, daß der Eckpfeiler allen Reichtums und aller Macht die menschliche Arbeitskraft sei. Ich denke, der Eckpfeiler der Macht dieser Herzogin sind ihre Kinder. Sie beherrscht Leatrice und beherrscht bis zu einem gewissen Grade auch Harry. Wenn ich ihr einen dieser Leute wegnehmen könnte, würde ich das Fundament ihrer Macht schwächen. Wenn ihr die eigene Tochter entrinnen würde, könnten vielleicht andere ihrem Beispiel folgen. Vielleicht wäre das der Grundstein für ein Haus, in dem die Bewohner genau soviel Freiheit und Macht über ihr eigenes Leben besitzen wie seine Dienerschaft.«
Angus stand auf und blickte mit neuem Respekt auf sie nieder. Nach allem, was er über die Vorgänge in diesem Haus wußte, ergab das, was sie gesagt hatte, einen Sinn. Er sah, daß sie nun wirklich eingeschlafen war, ging zu einer Truhe, die an einer Wand stand, nahm das Plaid des MacTarvit-Clanchefs heraus und breitete es über sie aus. Als er ihr die Blätter mit den Zeichnungen vom Schoß nahm, schmiegte sie sich noch fester in den Lehnstuhl und schlief weiter.
Er betrachtete ihre Skizzen, gab ein schnaubendes Lachen von sich, legte sie auf ihren Schoß zurück, verließ die Hütte und machte sich zu Fuß auf den Weg zu dem großen Haus. Er würde ein paar Stunden brauchen, bis er es erreichte.
13. Kapitel
Als Oman Trevelyan meldete, daß ein alter Mann die Treppe heraufkäme, schickte Trevelyan seinen Diener aus dem Zimmer und widmete sich wieder seiner Schreibarbeit. Trevelyan bewunderte Angus, der die Treppe heraufstapfte. Er war nicht aus der Puste, obwohl er immer zwei Stufen auf einmal genommen hatte.
Trevelyan sah nicht von seiner Arbeit auf. »Was bringt Sie zu mir? Ich habe keine Rinder, die Sie stehlen können.«
Angus begab sich schweigend zu einem Tisch an der Wand, goß sich einen Whisky ein, setzte sich auf die Fensterbank und betrachtete Trevelyan.
Endlich legte Trevelyan seinen Federhalter weg und starrte den Alten an, dessen wettergegerbtes Gesicht in nachdenkliche Falten gelegt war.
»Heraus damit«, sagte Trevelyan.
»Das Mädchen hat die alte Frau kennengelernt.«
»Ah«, Trevelyan blickte wieder auf das Blatt, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Das sollte die Kleine nicht weiter stören. Ihre Liebe für Harry ...«
Angus unterbrach ihn mit einem Schnauben. »Sie empfindet keine Liebe für den Jungen. Sie glaubt, er wäre ... vollkommen, wie sie sich ausdrückt. Gestern hat er ihr die Ländereien gezeigt.« Angus bewegte die Hand im Kreis, um anzudeuten, daß er damit den ganzen Grundbesitz von Bramley meinte. »Jung-Harry tat so, als würde er alle seine Pächter kennen. Gab vor, er würde den Besitz verwalten. Soweit ich weiß, hat er nicht mal alles gesehen, was Sie besitzen.«
»Was ich besitze?«
Angus starrte Trevelyan nur an.
Trevelyan warf zum zweitenmal seinen Federhalter hin, stand auf und stellte sich vor das Feuer. »Was erwarten Sie von mir? Soll ich ihr verraten, daß Harry nicht das ist, wofür sie ihn hält? Soll ich ihr sagen, daß mein kleiner Bruder so faul wie der Tag lang ist und daß er von seiner Mutter beherrscht wird?«
»Sie weiß schon ein wenig Bescheid über die Mutter.« Angus versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Die alte Hexe hat Ihr einen Vortrag über Harrys Eßgewohnheiten und seine zarte Gesundheit gehalten.«
Trevelyan lachte laut. »Harry hat einen Magen wie ein Ochse und die Gesundheit von zwei Pferden.«
Angus schwieg eine Weile. »Sie könnten
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