Zwischen Leidenschaft und Liebe
nicht existiere. Abgesehen von meinem Geld, meine ich. Jeder scheint nur an mein Geld zu denken.«
Angus war die Geduld in Person. Er schien keine anderen Interessen im Leben zu haben als sie. Sie fing an, ihm von dem gestrigen Tag zu erzählen, wie sie mit Harry die Ländereien besichtigt hatte, und während sie redete, begann sie nervös mit dem Bleistift auf einem uralten Stück Papier mit dem Aufdruck >Bramley House< zu kritzeln, das seit Jahren in Angus’ Hütte herumgelegen hatte. Bei jedem Wort, das sie sagte, machte sie einen wütenden Strich auf dem Papier.
Angus brachte sie dazu, ihm den Unterschied zwischen Amerika und Schottland zu erklären. Er gab keinen Kommentar zu ihren Schilderungen ab, sondern rauchte nur seine Pfeife und nickte.
Sie sagte ihm, wie vollkommen Harry war. »Vollkommen? Ist er das?« fragte Angus.
»Er ist es, aber seine Mutter.« Sie starrte in den Whiskykrug.
»Glaub ja nicht, du könntest mich mit Geschichten von dieser Frau schockieren, Mädchen.« Aus seiner Stimme sprach ein tiefer Groll.
Claire schilderte ihm ihr Zusammentreffen mit der Herzogin. »Sie wird keinen Deut ihrer Machtbefugnisse an mich abtreten, wenn ich Harry heirate. Sie wird nicht zulassen, daß sich auch nur etwas ändert. Sie wird jede Mahlzeit kontrollieren, jeden Atemzug, den jemand in diesem Haus macht. Es würde mich nicht überraschen, wenn ich entdeckte, daß sie sogar die Kleider jeden Tag für mich auswählt.«
»Und was sagt dein perfekter Harry dazu?«
Claire rutschte unruhig auf ihrem Lehnstuhl hin und her. »Was könnte er sagen? Sie ist seine Mutter, und er kann ihr nicht widersprechen.«
»Hat so ein artiges Mädchen wie du nie seiner Mutter widersprochen?«
Claire kicherte - sie hatte schon die Hälfte ihres Kruges ausgetrunken. »Höchstens ungefähr zweihunderttausendmal.«
Angus lächelte sie an. »Und trotzdem ist er perfekt.«
»Gestern hat meine kleine Schwester die seltsamste Bemerkung über Harry gemacht.« Noch während sie das sagte, wußte sie, daß sie bereits beschwipst sein mußte, sonst hätte sie das niemals einem anderen anvertraut. Brat sagte stets die schrecklichsten Sachen über Leute. Manchmal machte ihre Familie die Bekanntschaft von absolut netten Menschen, aber
Brat erklärte diese Person für böse oder behauptete anderen Unsinn über sie. Natürlich war es unheimlich, wie oft sich ihre Urteile später als richtig erwiesen.
»Was hat deine Schwester über Harry gesagt?«
»Sie sagte, ich würde nie die Kontrolle über Harry haben oder ihn beeinflussen können. Spätestens drei Monate nach der Hochzeit mit ihm würde er nicht einmal mehr wissen, daß ich existiere. Er würde dafür sorgen, daß ich zwei Kinder in die Welt setze, einen Erben und einen weiteren Sohn, und dann seiner eigenen Wege gehen. Er würde zwar liebenswürdig und gut zu mir sein, aber sich niemals wirklich für mich interessieren.«
»Wie alt ist deine kleine Schwester?«
»Vierzehn, denke ich. Vielleicht ist sie aber auch schon vierzig.«
Angus nickte und versorgte sich mit Whisky. »Und wie steht es mit dem anderen?«
»Welchem anderen?« fragte sie, wußte jedoch genau, wen er meinte.
»Dem anderen Jungen. Dem Dunkelhaarigen, der dich hierherbrachte.«
»Oh«, sagte sie leise. »Trevelyan.«
»Ja, der.« Er beobachtete sie, während sie sich mit der Formulierung einer Antwort abzumühen schien. »Dieser Forschungsreisende.«
»Das wissen Sie?«
»Was hat er getan, daß du ihm jetzt böse bist?«
»Ich dachte, er wäre mein Freund«, begann sie und erzählte ihm dann, daß er die einzige Person in diesem Haus gewesen sei, die sich mit ihr unterhalten hatte. »Wir sprachen über alles. Ich konnte ihm alles sagen. Ich erzählte ihm Dinge, die ich noch keinem anderen Menschen anvertraut habe, und er verstand mich. Er hat nie ...« Sie hielt inne, denn so gelöst sie der Whisky auch gemacht hatte - sie wollte nichts sagen, was man als Treulosigkeit gegenüber Harry auslegen konnte. Sie liebte Harry.
»Er schrieb alles nieder, was ich ihm erzählte. Er studierte mich«, fuhr sie fort. »Er wollte mich in einem seiner verdammten Bücher verewigen. Ich bin kein Studienobjekt. Ich bin nur eine Frau, und Captain Baker kann ...«
»Ich dachte, du nanntest ihn Trevelyan?«
»Ja. Ich meine, so heißt er auch. Es ist sein Familienname. Aber er ist Captain Baker. Wissen Sie, was dieser Captain Baker alles geleistet hat?«
Angus betrachtete sie. Sie war mit einem vor Kummer verzerrten
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