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Zwischen Licht und Dunkel

Titel: Zwischen Licht und Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Spitzbart
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sozialwissenschaftliche Studie mit dem Titel „Ausländer und Medien“, die sich auch mit dem Zugang des Einzelnen zur neuen Sprache und Gesellschaft beschäftigte. Auf dem Seminar „Integration gegen Isolation“ berichteten Neubürger von ihren Erfahrungen im neuen Land. Auf der Konferenz „Einwanderer und weiterführende Schule“ wurde referiert zur „wünschenswerten Entwicklung im Unterrichten von Schülern mit Isländisch als zweiter Sprache“. In einem Schülerworkshop im Rahmen des Projektes „Zukunft in einem neuen Land“ wurde nach gemeinsamen Wegen in der veränderten isländischen Gesellschaft gesucht – und der Wunsch nach gegenseitigem Verständnis laut. „Wir Neubürger dürfen eben nicht nur nehmen, wir müssen auch geben“ erfasste ein junger Mann die Lage.
    An Isländisch-Sprachkursen auf jeder erdenklichen Intensitätsstufe mangelt es nicht. Volkshochschule, Universität oder Sprachunterricht direkt am Arbeitsplatz mit konkretem Arbeitsbezug. Je nach Bedarf wird die Unterrichtssprache sogar der Herkunft der Kursteilnehmer angepasst. Und es ist kein Einzelfall, dass der Arbeitgeber die Kosten dafür trägt oder der Sprachschüler sie wenigstens teilweise von der Gewerkschaft zurückerstattet bekommt.
    Andererseits muss ich mich mitunter fragen, ob es überhaupt jeder auf sich nehmen will, sich um diese vertrackte Sprache zu bemühen. Ich stelle nämlich immer wieder fest, wie viele es selbst nach mehreren Inseljahren zu kaum einem Wörtchen Isländisch gebracht haben. Es ist ja ganz normal, dass der Mensch in der Fremde dazu neigt, sich mit seinesgleichen zusammenzutun. Wem das aber genügt, wird den Anschluss an die isländische Gesellschaft völlig verpassen. In solchen Fällen sind dann auch die schönsten Integrationsangebote für die Katz.
    Fragen wir doch einmal den ganz normalen „alten“ Isländer, was er von den Entwicklungen der letzten Jahre, von dem Einzug der Neuen Isländer hält. Ich habe den Eindruck, dass dem einen oder anderen ein „Nebeneffekt“ der Einwanderungswelle gar nicht so ungelegen kam: Die Jobs, die er selbst nicht (mehr) verrichten wollte, waren nämlich auf einmal Sache der Einwanderer. Am Fließband Fische säubern, im Heim alte Leute pflegen, im Supermarkt Regale einräumen, dort an der Kasse sitzen, putzen und andere „Niedriglohnarbeiten“. Aber wie reagierte der Isländer darauf? Er fühlte sich auf den Schlips getreten, wenn er in seiner Muttersprache im wahrsten Sinne des Wortes auf Unverständnis stieß. Davon wurde ich selbst wiederholt Zeuge. So fragte ein Supermarktkunde den Kassierer zunächst, ob er Isländisch spräche. Erst nach einer positiven Antwort reihte sich der Einkäufer in die Warteschlange ein. Sonst hätte er sein Glück an einer anderen Kasse versucht. Ein andermal ließ sich ein älterer Mann in der Obst- und Gemüseabteilung desselben Geschäfts vor meinen Ohren laut und deutlich darüber aus, dass hier kein Mitarbeiter die Landessprache beherrsche und ihm folglich nicht weiterhelfen könne. Bis in die Medien schaffte es der Fall, dass ein potentieller, isländischer Bäckerkunde auf der Türschwelle demonstrativ kehrt machte, weil das Personal des Isländischen nicht mächtig war. Einen bösen Witz schnappte ich in diesem Zusammenhang auch auf: Wäre es nicht effektiver, alle Isländer polnisch lernen zu lassen?
    Fair finde ich dieses Verhalten nicht. Andererseits kann ich es ein kleines bisschen nachvollziehen. Denn wenn ich in meiner alten Heimatstadt in bestimmten Stadtteilen fast die einzige unverschleierte Frau auf der Straße bin und mir anstelle meiner eigenen Muttersprache unverständliche Laute um die Ohren schwirren, dann überkommt mich ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend. Ich behaupte, dass derartige Situationen in der kleinen und dadurch „anfälligen“ isländischen Nation wesentlich stärkere Empfindungen auslösen. Bis hin zu der Angst, die wohlgehütete und so lange bewahrte Identität zumindest ein Stück weit zu verlieren, in sprachlicher und kultureller Hinsicht. Wer möchte schon an seinem Arbeitsplatz im eigenen Heimatland plötzlich in der Minderheit sein? Werfen wir doch einen Blick auf Reykjavíks städtische Kindergärten: Dort arbeiteten zeitweise so viele Nicht-Isländer mit mehr oder weniger guten Kenntnissen der Landessprache, dass aus Expertenkreisen echte Bedenken geäußert wurden, was die Sprachentwicklung der Kinder anging. „Das ist ein Grund zur Besorgnis, wenn wir weiterhin

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