Zwischen Liebe und Intrige
verfolgte, wurde Leon klar, dass
er sich in der Gesellschaft einer Frau noch nie so wohl gefühlt
hatte. Die Frauen, mit denen er zu Hause gelegentlich ausging, hätten
ihm eine Szene gemacht, wenn er etwas anderes vorgeschlagen hätte,
als sie ins teuerste und schickste Restaurant der Stadt zum Essen
einzuladen. Und tat er es dann, dachten sie gar nicht mehr ans Essen.
Vielmehr
stolzierten sie in ihren Designerkleidern auf und ab, trugen noch
mehr Lippenstift auf ihre ohnehin schon knallroten Münder auf
und musterten dabei im Taschenspiegel die Gäste an den anderen
Tischen. Sie wedelten mit ihren Händen mit den langen,
lackierten Fingernägeln in der Luft, um Freunde zu begrüßen,
und verkündeten mit Schmollmund, dass sie unmöglich etwas
anderes als den allerbesten Champagner trinken könnten. Ja, all
das taten sie. Aber essen? Von wegen!
Natürlich
bestellten sie trotzdem die teuersten Gerichte auf der Karte,
weigerten sich aber dann, sie anzurühren, und beklagten sich
stattdessen über den Kalorienund Fettgehalt. Wenn Leon eines
hasste, dann die Verschwendung von Lebensmitteln, was mit seiner
Kindheit zusammenhing. Seine Großmutter hatte ihm immer wieder
anschaulich geschildert, wie arm sie und Leons Großvater
gewesen waren und dass sie mit einem einzigen Stück Fleisch eine
ganze Woche hatten auskommen müssen.
Sadie
aber war anders als die verwöhnten Frauen, mit denen er sich
bisher getroffen hatte. Am Vorabend und auch heute beim Frühstück
hatte sie ihr Essen sichtlich genossen, und das fand er viel
erotischer, als zuzusehen, wie irgendein spindeldürres Model
missmutig in einigen kunstvoll drapierten Salatblättern
herumstocherte.
Und
eine Frau, die so viel Vergnügen am Essen fand, hatte doch
bestimmt genauso viel Spaß an den anderen sinnlichen Genüssen
des Lebens, oder?
Leon
merkte, dass er mit seinen Gedanken in gefährliches Fahrwasser
geriet.
"Gleich
müsste die Stadt kommen", verkündete Sadie. "Hinter
dem Felsen, der so steil aufragt."
"Du
hast genug eingekauft, um ein Dutzend Leute zu bewirten!"
beschwerte sich Sadie lachend bei Leon, als sie zusammen die
Lebensmittel zum Auto trugen.
Leon
hatte mit Begeisterung alles Mögliche ausgesucht – frisch
gebackenes französisches Stangenweißbrot, regionale
Käsespezialitäten, Obst und Oliven, kalten Braten von der
Charcuterie, diverse Köstlichkeiten aus der Pâtisserie,
sogar eine Flasche Rotwein. Es war ein königliches Mahl.
Doch
Leon war kein König, er war Multimillionär, wie Sadie sich
in Erinnerung rief, als sie beinahe am Auto angekommen waren. Kein
Wunder, dass er sie so erstaunt angesehen hatte, als sie vorschlug,
selbst einzukaufen und eine Art Picknick im Landhaus zu veranstalten.
"Was
hast du?" fragte Leon, und sie zuckte zusammen, als sie merkte,
dass er sie beobachtete.
Seine
besorgte Stimme und sein eindringlicher Blick brachten sie dazu,
mitten auf der leeren Straße stehen zu bleiben.
"Sadie?"
Die
Art, wie er liebevoll ihren Namen aussprach und ihr dabei sanft eine
Haarsträhne aus dem Gesicht schob, ließ Sadie erschauern.
Behutsam
strich Leon ihr über den Kopf, legte die Hand an ihren Nacken
und streichelte mit dem Daumen die zarte Haut hinter ihrem Ohr. Was,
seiner besorgten Miene nach zu urteilen, als beruhigende Geste
gemeint war, hatte auf Sadie den gegenteiligen Effekt, und sie
zitterte noch heftiger.
Was
musste Leon nur von ihr denken? Er war doch sicher an weltgewandte
Frauen gewöhnt, die nicht gleich wie unerfahrene, hysterische
Teenager reagierten, wenn er sie nur anfasste. Unerfahren …
Sie
schob den Gedanken rasch von sich.
Leon
ließ die Hand an ihrem Nacken liegen, und Sadie überwand
sich, ihm ins Gesicht zu sehen.
Sein
Blick, tief und unergründlich, ließ sie nicht mehr los.
"Habe
ich dir schon gesagt, dass ich dich für eine außergewöhnliche
Frau halte, Sadie?"
Außergewöhnlich?
Sie? Sadie versuchte sich klarzumachen, wer er war und warum sie mit
ihm hier war, aber seine warmen Finger an ihrem Nacken verscheuchten
jeden klaren Gedanken aus ihrem Kopf. Sie spürte, wie ihr Körper
reagierte, wie ihre Brustspitzen hart wurden unter dem Seidenstoff
ihres BHs, wie sich tief in ihrem Innern pochende Hitze ausbreitete.
Leon
sah sie aufmerksam an, obwohl sie den Blick gesenkt hatte und ihre
langen dunklen Wimpern ihre Augen verdeckten. Er spürte das
leichte Beben ihres Körpers, und es übertrug sich auf ihn.
Noch nie war er einer Frau begegnet, die eine so verwirrende
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