Zwischen Liebe und Intrige
Also
hatte sich Leon bei einer ortsansässigen Headhunter-Agentur über
den üblichen Satz für eine Fachkraft wie Sadie informiert.
Angesichts der Tatsache, dass sie auf die Verwendung natürlicher
Inhaltsstoffe verzichtete und bereit war, ein neues Parfüm zu
kreieren, hatte er sein Gehaltsangebot noch einmal großzügig
aufgestockt.
Wenn
sie jetzt allerdings auf das Haus in Grasse als kleine Beigabe aus
war, musste er sie enttäuschen.
Sadie,
die seine plötzliche Zurückhaltung spürte, aber nicht
wusste, was in ihm vorging, fragte unbefangen: "Ist alles in
Ordnung?"
"Ja,
bestens", erwiderte er, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
"Aber wir sollten jetzt aufbrechen, das Haus ist gut drei
Autostunden von hier entfernt."
Erleichtert,
statt der finsteren Miene wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht
zu sehen, nickte sie zustimmend. Die Terrasse, die sie um diese frühe
Zeit beinahe für sich allein gehabt hatten, füllte sich
zusehends mit anderen Gästen.
Dieses
Hotel ist der perfekte Ort für Flitterwochen, dachte Sadie, als
sie aufstand und Leon ihren Stuhl zurückschob. Diese Suiten mit
eigenem Whirlpool … Unwillkürlich sah sie sich dort
zusammen mit Leon.
Ihr
verträumter Blick und ihre geröteten Wangen entgingen ihm
nicht. Er stand dicht vor ihr, atmete ihren betörenden Duft ein
und fragte sich, ob es eine gute Idee sei, den Tag mit ihr zu
verbringen – vor allem nach der gestrigen Nacht. Mehr als ihr
leidenschaftlicher Kuss beunruhigte ihn die Tatsache, dass er vor
Sehnsucht nach ihr noch stundenlang wach gelegen hatte. Mit aller
Macht hatte er gegen das brennende Verlangen ankämpfen müssen,
das sie in ihm geweckt hatte.
Als
Leon an der Rezeption die Schlüssel für den Mietwagen
abholte, stellte sich heraus, dass auf Grund einer Verwechslung ein
kleineres Auto als das gewünschte gebracht worden war.
Sadie
sah, wie Leon die Stirn runzelte, und sagte beschwichtigend: "Wir
sind doch nur zu zweit, also spielt die Größe des Wagens
eigentlich keine Rolle, oder?"
Leon
nahm die Schlüssel und wandte sich lächelnd zu ihr um.
"Bist
du von Natur aus so gutmütig, oder musst du dich dazu zwingen?"
zog er sie auf, nahm sie beim Arm und trat mit ihr hinaus in die
warme Morgensonne.
"Bei
unserer ersten Begegnung schienst du keinen so guten Eindruck von mir
zu haben", meinte Sadie trocken.
"Oh",
er lächelte schalkhaft, "das war ja auch vorher."
"Vorher?"
Er
beugte sich zu ihr herab. "Bevor ich dich geküsst habe."
Es war ein Spiel mit dem Feuer, das wusste er, aber er fühlte
sich plötzlich so glücklich wie lange nicht mehr.
Schweigend
nahm Sadie auf dem Beifahrersitz des Kleinwagens Platz. Leon flirtete
mit ihr, kein Zweifel. Da sie ihn nicht für den Mann hielt, der
mit jeder beliebigen Frau flirtete, konnte das nur bedeuten …
Was
schon? Dass er sich seine freien Tage mit einer kurzen,
bedeutungslosen Affäre versüßen wollte? Bei dem
Gedanken an diese Möglichkeit lief Sadie ein eisiger Schauder
über den Rücken.
Es
handelte sich wirklich um einen ausgesprochenen Kleinwagen, wie sie
reumütig zugeben musste, als sie sah, wie Leon sich mühsam
hinter das Lenkrad schob.
"In
Australien würde man uns wegen Kindesmisshandlung verurteilen,
wenn wir unseren Kindern ein Gefährt dieser Größe
zumuteten", sagte er grimmig, als er den Schlüssel im
Zündschloss drehte.
Sadie
lachte.
"Ich
dachte, nur in Texas wäre alles größer als woanders."
Ihr Lachen wich einem besorgten Blick, als der Motor sich nicht
rührte.
Leise
schimpfend startete Leon einen neuen Versuch, und diesmal sprang der
Motor zu Sadies Erleichterung an.
Das
Bauernhaus, das Leon mieten wollte, lag im Massif de l'Estérel,
einer herrlichen Gebirgslandschaft vulkanischen Ursprungs mit dichten
Pinienund Korkeichenwäldern. Sadie freute sich sehr darauf,
diese wunderschöne Gegend zu sehen, erst recht in Leons
Begleitung.
Wegen
Straßenbauarbeiten in der Innenstadt mussten sie Mougins
umfahren, um auf die Hauptstraße zu gelangen, die in die
Bergregion führte. Während sie über Land fuhren,
konnte Sadie nicht widerstehen, Leon auf die blühenden
Blumenfelder aufmerksam zu machen.
"Nichts,
was man im Labor erzeugen kann, ist auch nur annähernd
vergleichbar mit diesem Duft", sagte sie voller Inbrunst.
"Stimmt",
erwiderte er, ein angriffslustiges Funkeln in den Augen. "Bei
einem synthetischen Duft muss man keine Qualitätsunterschiede
befürchten, nur weil vielleicht einmal die Sonne drei Tage
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