Zwischen Liebe und Intrige
betrachteten sie das
Haus. Als hätte er ihren Wunsch geahnt, ließ Leon die
Wagenfenster herab, und Sadie atmete tief die herrlich klare Luft
ein. Selbst in dieser Höhe glaubte sie, das Meer riechen zu
können.
Blühende
Lavendelbüsche verströmten ihren intensiven Duft, der
silbergraue Stamm einer Wisteria, deren Zweige mit feinen, fedrigen
Blättern bewachsen waren, zog sich an der gelb getünchten
Mauer des Hauses empor. Wildblumen, die sich offenbar selbst ausgesät
hatten, bildeten leuchtende Farbtupfer im grünen Gras, und
unterhalb des Hauses entdeckte Sadie einen Olivenhain. Was sie aber
am meisten faszinierte, war eine niedrige, von Orangenbäumchen
gesäumte Steinmauer, hinter der einladend das Wasser eines
Swimmingpools glitzerte. Es war einer dieser modernen Pools, die
keine Begrenzung zu haben schienen, und aus diesem Blickwinkel sah es
so aus, als würde die spiegelnde Wasseroberfläche nahtlos
ins Meer übergehen, das dahinter zu sehen war.
Das
ganze Anwesen war in Sadies Augen eine gelungene Mischung aus
traditioneller und moderner Architektur.
"Wie
wunderschön!"
"Ich
sehe es heute zum ersten Mal." Leons Stimme klang heiser.
Offenbar war er genauso ergriffen von der wilden Schönheit
dieses Grundstücks wie sie, versuchte es aber mannhaft zu
überspielen. "Der Makler hat mir Fotos und ein Video
geschickt. Ich wollte etwas Abgelegenes haben, und das ist es
wirklich!"
"Es
ist einfach himmlisch!" Fasziniert stieg Sadie aus. Eine sanfte
Brise strich über sie hinweg, sie hielt das Gesicht in die warme
Frühlingssonne und schloss für einen Moment die Augen.
Dann
drehte sie sich zu Leon um, beschrieb mit einer weit ausholenden
Geste das Land, das Meer, den Himmel. "Das ist es, was ein
Parfüm ausmacht – Blumen, Erde, Luft, Meer, die Düfte
der Natur", sagte sie leise und dann, im Brustton der
Überzeugung: "Kein Chemieprodukt aus einem Labor kann das
ersetzen!"
Leon
betrachtete sie schweigend. Der dünne Stoff ihres Kleides
schmiegte sich im lauen Wind um jede Rundung ihres Körpers.
Obwohl er versucht war, ihr zu widersprechen und sie daran zu
erinnern, dass sie sich bereit erklärt hatte, ab jetzt mit
synthetischen Duftstoffen zu arbeiten, wollte er an ihrem gemeinsamen
Tag keinen Konflikt heraufbeschwören. Er sah die Leidenschaft in
Sadies Augen und wollte sie mit ihr teilen. Gefährlicher noch –
er wollte sie.
"Lass
uns hineingehen."
Sein
schroffer Ton irritierte Sadie. Hielt Leon sie für albern und zu
gefühlsbetont, weil sie sich so für die Landschaft
begeisterte? Schweigend schloss sie sich ihm an.
Innen
war das Haus genauso schön wie von außen, jedenfalls für
Sadies Geschmack. Die große Küche im Landhausstil führte
auf einen schattigen Innenhof hinaus. Dort gab es einen Essplatz,
groß genug für eine ganze Familie, einen altmodischen
Brunnen und Kübel mit blühenden Geranien.
In
dem lang gestreckten Gebäude befanden sich ein gemütlicher
Fernsehraum, ein gediegenes Esszimmer und ein eleganter Wohnbereich,
der die ganze Breite des Hauses einnahm und an beiden Seiten verglast
war.
Im
Obergeschoss gab es fünf geräumige Schlafzimmer, jedes mit
eigenem Bad. Alle Zimmer waren einfach, aber geschmackvoll
eingerichtet. Mit jedem Schritt wuchs Sadies Neid auf den Besitzer.
Erst recht, als Leon ihr erzählte, dass das dazugehörige
Grundstück bis hinunter zum Meer reichte und einen Privatstrand
mit einschloss.
"Gefällt
dir das Haus?" fragte er.
"Wem
würde es nicht gefallen? Wenn es meins wäre, würde ich
es nicht übers Herz bringen, es zu vermieten."
Leon
ertappte sich dabei, dass er allen Ernstes daran dachte, den Makler
anzurufen und zu fragen, ob das Haus zu verkaufen sei! Immerhin
machte ein Wohnsitz in Europa durchaus Sinn für ihn, zumal
jetzt, da er Francine übernahm.
Mach
dir nichts vor, rief er sich zur Vernunft. In Wahrheit wollte er das
Haus aus einem ganz anderen Grund kaufen. Bestimmt nicht, weil er es
so verlockend fand, hier im Geschäftsanzug allein an seinem
Laptop zu sitzen. Nein, er hatte dabei an sich und Sadie gedacht, und
was sie hier tun würden, hatte nicht im Entferntesten mit Arbeit
zu tun!
"Ich
weiß nicht, wie es dir geht, aber ich könnte jetzt etwas
zu essen vertragen!" sagte er und verdrängte energisch die
Fantasien, die ihm im Kopf herumspukten. Er sah auf seine Armbanduhr.
"Weißt du, dass es schon halb vier ist?"
Natürlich
hatte sie es nicht gewusst, denn vor lauter Entzücken über
das Haus hatte sie gar nicht auf die Zeit
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