Zwischen Mond und Versprechen
ausgehungerte Wölfe. Wir dagegen kämpften nach der halsbrecherischen Fahrt noch mit unseren Purzelbaum schlagenden Mägen.
Ich konzentrierte mich darauf, meine Beine in Bewegung zu setzen und vom Quad zu steigen. Amy und Sarah machten es mir nach. Mit puddingweichen Knien gingen wir aufeinander zu. Die Rusakovas beobachteten uns, ich spürte ihre Blicke in meinem Rücken. » Was für ein Tag! « , sagte ich laut zu den Freundinnen.
Amy sprang sofort darauf an. » Ja, wirklich schade, dass wir schon so bald nach Hause müssen. «
Sarah nickte und sah mich misstrauisch an. Dann lächelte sie ihr typisches Strahlelächeln. Aber hinter ihrem Blick verbarg sich etwas, was nicht zu ihrer zustimmenden Geste passte.
Pietr beobachtete uns. Ich nahm seine Missbilligung und seine Enttäuschung so deutlich wahr, als würde er neben mir stehen.
» Ich dreh noch eine kleine Runde « , sagte er gepresst.
Ich drehte mich um, um ihn aufzuhalten– um ihm zu sagen, dass wir alle drei Fahrzeuge brauchten, um zum Haus zurückzukommen– aber er sah mich an, als hätte man ihm einen Dolch ins Herz gestoßen. Ich hatte ihn an diesem Tag nur enttäuscht. Ich konnte es ihm nicht verdenken, wenn er wegwollte, war ich doch diejenige, die zum Aufbruch blies.
» Pietr… « , rief Catherine, doch er hatte bereits sein Quad gewendet und raste davon.
Sie sah mich entschuldigend an. » Manchmal ist er schwierig. Launisch. « Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar und schüttelte ihre Locken. » Wusstest du, dass die Leute früher glaubten, dass Zwillinge zwei unterschiedliche Seelen haben? «
Ich verneinte kopfschüttelnd.
» Manchmal fragte ich mich, ob sie vielleicht recht hatten. Ich bin so oft fröhlich und er ist so oft schlecht gelaunt « , sagte sie achselzuckend.
Ich hörte das Dröhnen von Pietrs Motor leiser werden, schwächer– weit weg.
Ich wurde nervös.
» Er fährt die große Schleife « , kommentierte Catherine und lauschte mit abwesendem Blick, » in ein paar Minuten ist er wieder da. «
Wie angekündigt kam das Geräusch näher, wurde wieder lauter.
» Er hat etwas Pessimistisches an sich. Aber ich glaube, nicht ohne Grund. « Ihr Blick ging von mir zu Sarah und wieder zurück. » Das Leben ist kompliziert, da? «
Sogar Amy stimmte ihr zu. Aus ganzem Herzen.
Wir hörten das tiefe Röhren des näher kommenden Quads, dann das Gefährt, wie es immer größer wurde. Pietr war ganz auf den Weg konzentriert, legte sich mit dem Quad in die Kurven und schoss steil über Bodenwellen und Schanzen und holte Luft, bevor er wieder auf dem Boden aufschlug. Das Quad war kein Pferd– es besaß nur Pferdestärke– aber ich bewunderte die Geschicklichkeit, mit der er es lenkte.
Und dann sah er auf, löste seinen Blick vom Weg und blickte mich an. Der Motor jaulte. Ich schrie. » Pietr! « Zu spät. Das Quad machte einen Satz in die Luft. Sein Helm kollidierte mit einem tief hängenden Ast. Es krachte und knirschte. Pietr wurde von der Maschine gerissen und mit einem unerbittlichen Knall zu Boden geschleudert!
» Oh Gott! «
» Heilige… «
Max und Catherine hielten sich nicht mit Worten auf. Sie sausten zu Pietr hinab, als wären sie Walküren, die statt auf dem Wind auf ihren Quads ritten.
Meine Lungen waren fast am Platzen und meine Beine brannten, als ich an der Unfallstelle ankam. Sarah und Amy waren direkt hinter mir. Eine von ihnen weinte. Catherine hatte Pietrs Helm abgenommen und seinen Kopf in ihren Schoß gebettet. Seine Augen waren geschlossen und er sah friedlich aus, auch als an seinem Kopf ein Ring aus Blut austrat, der Catherines Schutzanzug verschmierte und in der Erde versickerte.
» Ohhh… « Mir wurde schlecht. » Ruf 911! « , schrie ich Sarah an. Sie zog den Reißverschluss ihres Schutzanzugs auf und angelte nach ihrem Handy, das sie sonst immer griffbereit hatte.
Plötzlich stand Max neben ihr, nahm ihr das Telefon aus der Hand und sah Catherine Hilfe suchend an.
Verblüfft starrte ich sie an.
» Max! « , rief Catherine.
Sie tauschten einen Blick aus– eine vielsagende Pause verstrich– während Pietr langsam sein Leben aushauchte. Seine Brust hob sich kaum noch…
Seine Atmung wurde unregelmäßig, bis sie ganz aufhörte.
Ich war wie erstarrt.
Pietr starb.
17
M ax, das Telefon in der Hand, rannte wieder zu seinem Bruder. » Du zählst, Cat « , befahl er und steckte seine Finger in den Rachen seines jüngeren Bruders. » Die Atemwege sind frei. «
Catherine ließ Pietrs Kopf
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