Zwischen Mond und Versprechen
kapieren « , zischte der Mann. Er ging mit lässigen Schritten die Stufen hinab bis zum Straßenrand. Dort wartete eine elegante silbergraue Limousine mit stark verdunkelten Scheiben. Der Mann auf dem Fahrersitz schnippte eine Zigarette aus dem Fenster. Der geheimnisvolle Fremde hatte Geld und einen aufmerksamen Chauffeur. Das war beides kein gutes Zeichen.
Russenmafia, hatte Pietr gesagt.
» Was zum Henker? « , fuhr Max seinen älteren Bruder an.
Alexi schlug Max auf die Schulter. Unsanft. » Was interessieren dich solche unerfreulichen Angelegenheiten? Folgst mir wie ein Hund! « Er schubste Max Richtung Tür. » Rein mit dir, du Idiot! «
Max drehte sich blitzschnell um, war mit einem einzigen Satz die Stufen hinunter und rannte zu uns herüber. Er streckte Sarah ihr Handy hin. » Ihr müsste jetzt gehen. «
Sie schnappte es ihm aus der Hand, klappte es auf und rief ihre Eltern an. » In zehn Minuten « , sagte sie kurz angebunden.
Max ging wieder zu Alexi und verschwand im Haus.
» Gerade genug Zeit, sich umzuziehen– mein T-Shirt! « , fiel mir ein.
» Das habe ich « , sagte Catherine. » Das hat schon bessere Tage gesehen, würde ich sagen. « Sie nahm meine Hand. » Komm. Du kannst eins von mir haben. «
Und so schnell wie der Unfall geschehen war, hatte ich auch ein Oberteil von Catherine am Leib und kletterte auf den Rücksitz von Luxoms Auto. Mein eigenes Shirt steckte in einer Plastiktüte, so zusammengelegt, dass man die dunklen Blutflecken von Pietr nicht sah.
» Nun… « , sagte Amy mit einem Blick auf mich, » das war wirklich die aufregendste Lerngruppe, die ich je erlebt habe. « Sie faltete ihre Hände. » Und wie fandest du’s, Sarah? «
» Ja, Sarah, wie war Pietrs Familie? « , fragte ihre Mutter vom Beifahrersitz.
» Sehr nett « , antwortete Sarah.
Mit dieser Antwort schien Mrs Luxom sich zufriedenzugeben, denn sie flötete nur: » Ach, wie schön. «
Mr Luxom warf seiner Tochter durch den Rückspiegel einen skeptischen Blick zu. » Gebrauche das Wort nett nicht so inflationär, mein Schatz. Es gibt nur noch wenige Leute auf der Welt, die man als nett bezeichnen kann. Am wenigsten in der Geschäftswelt « , brummte er und konzentrierte sich wieder auf die Straße.
» Ich finde nicht, dass sie es inflationär… « , fing Mrs Luxom an, aber er fiel ihr ins Wort. » Mein Gott, Kristen, manchmal bist du wirklich schwer von Begriff. Warum musste ich unbedingt eine Blondine heiraten. «
Mrs Luxom beschränkte sich wieder darauf, still aus dem Fenster zu starren.
Amy sah mich schweigend an und ich nickte, denn die Luxoms waren eigentlich immer am Streiten. Leise fragte mich Amy: » Was meinst du, warum sie Pietr nicht zu einem Arzt bringen wollten? «
» Vielleicht gehören sie so einer Sekte an, die glaubt, dass Gott dich heilt, wenn es sein Wunsch ist « , mutmaßte Sarah.
Sarahs Eltern fuhren schweigend weiter, er stoisch, sie steif.
» Ich weiß nicht. Vielleicht sind sie in einem Zeugenschutzprogramm « , überlegte ich. Ich konnte mir Pietr gut in einem Heldendrama vorstellen, in dem er die Gangster vor Gericht brachte und dafür mit einem Leben auf der Flucht bezahlen musste.
Amys Überlegungen gingen in eine andere Richtung. » Vielleicht sind sie gesuchte Kriminelle, und wenn sie zum Arzt gehen, würde die Polizei auf sie aufmerksam werden… «
» Vielleicht haben sie keine Krankenversicherung « , entgegnete Sarah.
» Oh Gott « , rief Mrs Luxom und mischte sich plötzlich in unser Gespräch. » Sehen sie arm aus? «
Ich legte meine Hand auf Amys Knie, bevor sie mit einer Entgegnung herausplatzte.
» Nein, Mrs Luxom « , beruhigte ich sie, » sie sehen nicht arm aus. Aber man muss nicht arm sein, wenn man keine Krankenversicherung hat. «
» Aber was macht man dann, wenn man krank wird, Jessica? « , fragte sie. Sie wollte unbedingt wissen, wie jemand aus den » unteren Schichten « lebte.
Im Rückspiegel sah ich, wie Mr Luxom seine Augen verdrehte. Er sah sich als ein Mann von Welt und betrachtete seine Frau vielleicht als eine Art Trophäe. Hübsch und wohlhabend, aber ohne Substanz.
» Sie hoffen, dass sie wieder gesund werden « , entgegnete Amy.
» Oder sie gehen in eine kostenlose Freie Klinik « , meinte Sarah.
» Aah, für so eine Klinik habe ich schon einmal gespendet « , flötete Mrs Luxom und lehnte sich zufrieden in ihren Sitz zurück.
» Oder « , schloss Amy bissig, » sie nehmen ein Darlehen auf ihr Haus auf, wenn es etwas Wichtiges ist,
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