Zwischen Mond und Versprechen
in ein paar wenige Jahre zu packen. Wir probieren alles gleichzeitig aus– schöne Dinge und auch ziemlich dumme. «
» Was war dann zuerst da, die Henne oder das Ei? « , fragte ich.
» Was? «
» Du hast gesagt, die Rusakovas sterben meistens früh. Und dass ihr ziemlich dumme Sachen macht. Also, was war zuerst da? Der frühe Tod oder die dummen Sachen, die einen umbringen? In jungen Jahren « , betonte ich.
Er lachte leise. » Darüber habe ich nie nachgedacht. Also, ich weiß nicht. «
» Dann solltest du darüber nachdenken, bevor du deinen Kopf wieder gegen einen Ast schlägst. «
Er stöhnte.
» Warte. Du hast gesagt, du hast praktisch schon alles gemacht? « , fragte ich und überlegte, ob ich meine Frage richtig betont hatte.
» Da. Alles. Äh! « Ich spürte an seiner Körperspannung, dass er begriff. » Du redest von Sex. «
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J a, klar. Sex « , erwiderte ich beiläufig, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlug. » Wenn es das ist, worüber du reden willst. « Ich schlug einen möglichst desinteressierten Ton an. Total abgeklärt. Das war viel schwieriger, als ich angenommen hatte.
» Wow. Okay. Lass mich das erklären. «
Ich wedelte mit der Hand in der Luft oberhalb meiner Schulter. » Nein. Wenn du nicht willst… «
» Warte, Jess. Du hast mich falsch verstanden. Ich habe eine Menge anderer Dinge erlebt. « Er zögerte. » Aber das habe ich nicht gemacht « , stellte er klar.
Ich unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung, aber mein Rückgrat wölbte sich ihm nach diesen Worten wieder entspannt entgegen und verriet mich. » Und warum nicht? « , fragte ich unversehens. Verdammt. Vielleicht wollte ich das gar nicht wissen? Vielleicht hatte es ihm nur an Gelegenheiten gemangelt? Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten und laut losgeträllert.
» Ich kenne Leute, die wirklich alles gemacht haben. Richtig alles « , bekräftigte er. » Sie haben auf mich nicht so glücklich gewirkt. «
» Ah, dann wartest du also. «
» Ja. «
» Bis wann? «
Er lachte. » Über so etwas habe ich mich noch nie unterhalten… «
» Bis zur Ehe? «
» Vielleicht. «
» Bis… « hakte ich nach.
» Bis die Richtige kommt. «
» Und wenn sie noch nicht bereit ist? «
» Dann warte ich eben noch länger. «
» Und wenn sie gar nicht so– unschuldig ist? « , quiekte ich beinahe.
» Du meinst, wenn sie keine Jungfrau mehr ist? «
» Äh, ja genau. « Ich wurde rot bis in die Haarspitzen.
» Ich glaube, sie ist unschuldig « , meinte er. » Ich kenne mich mit dieser Jungfrauensache nicht aus. Jedenfalls ist es mir egal. Unschuld hat mit Jungfräulichkeit eigentlich nichts zu tun. «
Darüber dachte ich einen Augenblick lang nach. » Hm. « Ich streckte mich im Sattel und gähnte. » Wollen wir zum Haus zurück? «
» Klar. Aber Alexi ist garantiert zu Hause. Wir parken das Pferd lieber auf der Rückseite. «
» Kein Problem. « Ich kicherte und setzte Rio in Trab.
Catherine hatte offenbar dieselbe Idee gehabt, denn der Wasserkübel stand tatsächlich hinten. Das Haus war ganz still und beinahe vollständig dunkel, als wir die Stufen zu Pietrs Zimmer hinaufgingen.
» Weißt du « , begann er. » Sie hätte dich gemocht. « Er sah mich prüfend an. » Meine Mom « , ergänzte er.
» Oh. « Ich setzte mich wieder auf das Bett und er nahm seinen Schreibtischstuhl.
Er setzte sich rittlings hin, stützte die Arme auf die Lehne und legte sein Kinn auf die Armbeuge. » Sie war stark. Wie du. «
» Ich bin nicht stark « , widersprach ich.
Er schnaubte. » Du traust dir zu wenig zu. «
» Erzähl mir von ihr « , bat ich ihn.
» Mein Dad– er war wie ich, immer eine Dummheit im Kopf. «
Ich machte den Mund auf, um zu widersprechen, aber er schüttelte den Kopf.
» Er wollte anderen helfen, und wenn dann die Situation total aus dem Ruder lief, kam Mom und brachte alles wieder in Ordnung. Sie bestand darauf, dass er ihr die Schuld in die Schuhe schob, damit sein Ruf nicht angekratzt wurde. « Er seufzte. » Sie sagte: ›Der Name eines Mannes überdauert, er darf nicht beschmutzt werden.‹ «
» Das ist ihr offenbar gut gelungen, denn ich habe noch nie etwas Schlechtes über die Rusakovas gehört… «
Er sah mich schief an und ich seufzte mit erhobenen Händen. » Okay, okay. Ich habe überhaupt noch nie etwas über die Rusakovas gehört. «
Er grinste, aber dann wurde er wieder ernst. Leise fragte er: » Hast du überhaupt an das heutige Datum gedacht? «
» Nein « , gestand
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