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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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trotzdem.
    Vielleicht hatte er wirklich einen Trip vor, Sonntagabend oder nicht. Vielleicht würde sie noch hier sein, wenn die Sonne aufging: durch den ständigen Wind, der über diesen einsamen Hügel strich, auf dem es nur Verrückte aushielten, bis auf die schon jetzt schmerzenden Knochen ausgekühlt.
    Nein, er ist der Verrückte. Weißt du noch, wie er getanzt hat? Wie sein Schatten über die Wand hinter ihm geglitten ist? Wie er gesungen hat? Erinnerst du dich an seine Quiekstimme? Du wartest hier auf ihn, Tessa Jean. Du wartest, bis die Hölle zufriert. Du bist einen zu weiten Weg gegangen, um jetzt umzukehren.
    Davor hatte sie tatsächlich sogar gewisse Angst.
    Das hier wird kein dezenter Salonmord werden. Das verstehst du doch, oder?
    Das tat sie. Dieser spezielle Mord - wenn sie es schaffte, ihn durchzuziehen - würde mehr Ähnlichkeit mit Der Pate 2
als mit Der Strickclub Willow Grove hinter der Bühne haben. Strehlke würde vorfahren, hoffentlich gleich bis zu der Zugmaschine, hinter der sie versteckt war. Er würde die Scheinwerfer seines Pick-ups ausschalten, und bevor seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten …
    Diesmal war es nicht der Wind. Sie erkannte das Brummen eines schlecht eingestellten Motors, noch bevor Scheinwerferlicht die Biegung der Einfahrt heraufkroch. Tess richtete sich auf einem Knie auf und zog ihre Mütze ruckartig tiefer in die Stirn, damit der Wind sie nicht wegwehen konnte. Sie würde sich ihm nähern müssen, was bedeutete, dass ihr Timing ungeheuer präzise sein musste. Sollte sie versuchen, ihn aus dem Hinterhalt zu treffen, konnte sie ihn selbst aus geringer Entfernung leicht verfehlen; ihr Schießausbilder hatte ihr erklärt, der Smith & Wesson sei nur auf Entfernungen unter drei Metern treffsicher. Er hatte ihr empfohlen, sich eine zuverlässigere Waffe zu kaufen, aber das hatte sie nie getan. Und nahe genug heranzukommen, um ihn sicher umlegen zu können, war nicht alles. Sie musste sich davon überzeugen, dass Strehlke in dem Truck saß - nicht sein Bruder oder irgendein Freund.
    Ich habe keinen Plan.
    Aber für einen Plan war es jetzt zu spät, denn da kam der blaue Pick-up, und als der Bewegungsmelder die Scheinwerfer aufflammen ließ, sah sie die braune Baseballmütze mit den Bleichmittelflecken. Sie sah auch, dass der Fahrer wie zuvor sie die Augen zusammenkniff, und wusste, dass er vorübergehend geblendet war. Jetzt oder nie!
    Ich bin die Mutige Frau.
    Ohne Plan, ohne auch nur nachzudenken, umrundete sie die Zugmaschine hinten: nicht rennend, sondern mit ruhigen großen Schritten. Der böige Wind ließ ihre Cargohose flattern. Sie riss die Beifahrertür auf und sah den Ring mit
dem roten Stein an seiner Hand. Er griff eben nach einer Tragetasche aus Papier, in der sich etwas Rechteckiges abzeichnete. Bier, vermutlich ein Zwölferpack. Er wandte sich ihr zu, und dabei passierte etwas Schreckliches: Er teilte sich in zwei Hälften. Die Mutige Frau sah das Tier, das sie vergewaltigt, gewürgt und zu zwei verwesenden Leichen in eine Wellblechröhre gestopft hatte. Tess sah ein etwas breiteres Gesicht und Fältchen um Mund und Augen, die am Freitag noch nicht da gewesen waren. Aber noch während sie diese Details registrierte, bellte der Smith & Wesson in ihrer Hand zweimal. Die erste Kugel durchschlug Strehlkes Kehle dicht unter dem Kinn. Die zweite öffnete ein schwarzes Loch über seiner buschigen rechten Augenbraue und ließ die linke Seitenscheibe zersplittern. Er sackte gegen die Tür, und die Hand, mit der er nach der Tragetasche gegriffen hatte, fiel kraftlos herab. Dann durchlief ein monströses Zucken seinen gesamten Körper, und die Hand mit dem Ring krachte mitten aufs Lenkrad und betätigte dabei die Hupe. Drinnen im Haus begann der Hund wieder zu bellen.
    »Nein, das ist er!« Tess stand mit dem Revolver in der Hand an der offenen Tür und starrte in den Wagen. »Er muss es sein!«
    Sie rannte vorn um den Pick-up herum, rutschte unterwegs aus, sank auf ein Knie, rappelte sich auf und riss die Fahrertür auf. Der tote Strehlke fiel heraus und knallte mit dem Kopf auf den glatten Asphalt vor seiner Garage. Die Mütze flog weg. Das wegen der Kugel, die den Kopf dicht über der Braue durchschlagen hatte, schielende rechte Auge starrte den Mond an. Das linke Auge starrte Tess an. Und es war nicht das Gesicht, das sie letztlich überzeugte - dieses Gesicht mit Falten, die sie zum ersten Mal sah, dieses Gesicht mit tiefen alten Aknenarben, die am

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