Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
eine Geschäftskarte. Unter dem Namen ÜBERKONFESSIONELLER KINDERFONDS stand die Adresse einer Bank auf den Kaimaninseln.
»Steueroase«, sagte Elvid. »Dorthin überweisen Sie meine fünfzehn Prozent. Wenn Sie schummeln, kriege ich das raus. Und dann wehe Ihnen, Kiddo!«
»Was ist, wenn meine Frau dahinterkommt und Fragen stellt?«
»Ihre Frau hat ein eigenes Scheckbuch. Mehr interessiert sie nicht. Sie verlässt sich auf Sie. Habe ich recht?«
»Nun …« Streeter sah, ohne überrascht zu sein, dass die Regentropfen, die Elvids Hände und Arme trafen, zischend verdampften. »Ja.«
»Natürlich habe ich recht. Wir sind fertig miteinander. Verschwinden Sie, fahren Sie zu Ihrer Frau zurück. Sie haben sie weiß Gott nicht verdient, aber ich bin mir sicher, dass sie Sie mit offenen Armen empfangen wird. Gehen Sie mit ihr ins Bett. Stellen Sie sich vor, Sie würden die Frau Ihres besten Freundes bumsen. Sie haben sie nicht verdient, aber Sie sind ein Glückspilz.«
»Was wäre, wenn ich es zurücknehmen wollte?«, flüsterte Streeter.
Elvid bedachte ihn mit einem kalten Grinsen, das einen Ring aus spitzen Kannibalenzähnen sehen ließ. »Das können Sie nicht.«
Das war im August 2001, weniger als einen Monat vor dem Einsturz der Twin Towers.
Im Dezember (am selben Tag, an dem Winona Ryder wegen Ladendiebstahls festgenommen wurde) erklärte Dr. Roderick Henderson Dave Streeter offiziell für krebsfrei - und außerdem für ein echtes Wunder der Neuzeit.
»Ich weiß keine Erklärung dafür«, sagte Henderson.
Streeter wusste eine, hielt aber den Mund.
Dieses Gespräch fand in Hendersons Praxis statt. In dem kleinen Sprechzimmer im Derry Home Hospital, in dem Streeter die ersten Bilder seines auf wundersame Weise geheilten Körpers gesehen hatte, saß Norma Goodhugh auf demselben Stuhl und betrachtete weniger erfreuliche Schichtaufnahmen. Sie hörte benommen zu, als ihr Arzt ihr mitteilte - so schonend wie möglich -, der Knoten in ihrer linken Brust sei tatsächlich Krebs, der bereits die Lymphdrüsen erfasst habe.
»Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos«, sagte der Arzt und ergriff über den Tisch hinweg Normas kalte Hand. Er lächelte. »Wir sollten sofort mit der Chemotherapie beginnen.«
Im Juni des folgenden Jahres wurde Streeter endlich befördert. May Streeter wurde zum Graduiertenstudium an der Columbia School of Journalism zugelassen. Um beides zu feiern, holten Streeter und seine Frau einen lange verschobenen Urlaub auf Hawaii nach. Sie schliefen oft miteinander. An ihrem letzten Tag auf Maui rief Tom Goodhugh an.
Die Verbindung war schlecht, und er konnte kaum verständlich sprechen, aber die Nachricht kam durch: Norma war gestorben.
»Wir sind für dich da«, versprach Streeter ihm.
Als er Janet die traurige Nachricht mitteilte, brach sie auf dem Bett zusammen und weinte mit vors Gesicht geschlagenen Händen. Streeter legte sich neben sie, hielt sie eng umarmt und dachte: Tja, wir wollten ohnehin heimfliegen. Und obwohl ihm Norma leidtat (und er Tom irgendwie bedauerte), hatte die Sache auch etwas Gutes: Sie hatten die Insektensaison verpasst, die in Derry scheußlich sein konnte.
Im Dezember schickte Streeter dem Überkonfessionellen Kinderfonds einen Scheck über etwas mehr als fünfzehntausend Dollar. In seiner Steuererklärung setzte er diesen Betrag als Spende ab.
Im Jahr 2003 schaffte Justin Streeter es an der Brown University auf die Liste des Dekans und erfand - nur so zum Spaß - ein Computerspiel, das er »Walk Fido Home« nannte. Zweck des Spiels war es, mit seinem angeleinten Hund aus dem Einkaufszentrum zurückzukommen und dabei Kamikazefahrern, Gegenständen, die von Balkonen im zehnten Stock fielen, und einer Horde verrückter alter Ladys auszuweichen, die sich Hundekiller-Omas nannten. Streeter erschien das als Witz (und Justin versicherte ihnen, es sei satirisch gemeint), aber Games, Inc., warf einen Blick darauf und zahlte ihrem gut aussehenden, gutmütigen Sohn eine dreiviertel Million Dollar für die Rechte. Plus Tantiemen. Jus kaufte seinen Eltern zwei identische Geländewagen Toyota Pathfinder, rosa für die Lady, blau für den Gentleman. Janet weinte und umarmte ihn und nannte ihn einen törichten, leichtsinnigen, großzügigen und absolut wundervollen Jungen. Streeter nahm ihn in Roxie’s
Tavern mit und lud ihn zu einem Spotted Hen Microbrew ein.
Im Oktober kam Carl Goodhughs Mitbewohner von einer Vorlesung am Emerson College zurück und fand Carl
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