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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Schwester war zwar nicht der Grund dafür gewesen, dass sie sich in Bob Anderson verliebt hatte, aber sein Verständnis für ihren Kummer hatte ihren Zusammenhalt gestärkt.
    Brandolyn Madsen war beim Langlaufen von einem betrunkenen Schneemobilfahrer angefahren und tödlich verletzt worden. Er hatte Fahrerflucht begangen und die Tote eine halbe Meile vom Haus der Familie Madsen entfernt im Wald liegen lassen. Als Brandi um acht Uhr abends noch nicht zurück war, waren zwei Polizeibeamte und die örtliche Bürgerwehr zu einer Suchaktion aufgebrochen. Darcys Vater hatte die Leiche gefunden und durch den Wald nach Hause getragen. Darcy, die im Wohnzimmer stationiert war, um das Telefon zu überwachen und ihre Mutter zu beruhigen, hatte ihn als Erste gesehen. Er hatte weiße Atemwolken ausgestoßen, als er im harten Licht des Wintervollmonds über den Rasen gekommen war. Darcys erster Gedanke (der ihr noch heute peinlich war) war eine Erinnerung an die kitschigen Liebesfilme in Schwarz-Weiß gewesen, die manchmal auf dem TCM-Spielfilmkanal gezeigt wurden - in denen irgendein Kerl seine Frischangetraute über die Schwelle ihres Flitterwochenhäuschens trug, während fünfzig Violinen Sirup auf die Tonspur gossen.
    Bob Anderson, das hatte Darcy entdeckt, konnte sich in andere hineinversetzen, wie es nur wenige Menschen konnten. Er hatte zwar keinen Bruder, keine Schwester verloren, aber seinen besten Freund. Der Junge war auf die Straße gelaufen, um einen beim Pick-up-Baseball danebengegangenen Ball zu fangen (wenigstens nicht Bobs Wurf; da er
kein Baseballspieler war, war er an diesem Tag beim Baden gewesen), von einem Lastwagen überfahren worden und wenig später im Krankenhaus gestorben. Der Zufall, dass sie beide unter altem Kummer litten, war nicht das Einzige, was Darcy ihre Verbindung als etwas Besonderes erscheinen ließ, aber es machte ihren Bund irgendwie mystisch - aus dem Bereich des Zufälligen hervorgehoben.
    »Bleib in Vermont, Bob. Geh zu der Nachlassversteigerung. Ich liebe dich dafür, dass du besorgt bist, aber wenn du jetzt heimgerannt kommst, komme ich mir kindisch vor. Und dann werde ich wütend.«
    »Okay. Aber ich rufe dich morgen früh um halb acht an. Du bist gewarnt!«
    Sie lachte und hörte erleichtert, dass das echt klang … wenigstens so real, dass kein Unterschied zu erkennen war. Und weshalb sollte ihr kein richtiges Lachen gestattet sein? Warum zum Teufel eigentlich nicht? Sie liebte ihn und würde die Unschuldsvermutung für ihn gelten lassen. Rückhaltlos. Ihr blieb gar nichts anderes übrig. Man konnte Liebe nicht abstellen - sogar die geistesabwesende, oft als selbstverständlich vorausgesetzte Liebe nach siebenundzwanzig Ehejahren -, wie man einen Wasserhahn zudrehte. Liebe kam aus dem Herzen, und das Herz hatte seine eigenen Erfordernisse.
    »Bobby, du rufst immer um halb acht an.«
    »Schuldig im Sinne der Anklage. Ruf mich jederzeit an, wenn du …«
    »… etwas brauchst, und wenn’s noch so spät ist«, ergänzte Darcy für ihn. Jetzt fühlte sie sich fast wieder wie sie selbst. Wirklich erstaunlich, wie viele schwere Schläge die menschliche Psyche einstecken konnte, ohne am Boden zerstört zu sein. »Das tue ich.«
    »Liebe dich, Schatz.« Die Schlussformel so vieler Telefongespräche über die Jahre hinweg.

    »Liebe dich auch«, sagte sie lächelnd. Dann legte sie den Hörer auf, drückte die Stirn an die Wand und begann zu weinen, bevor das Lächeln ihr Gesicht verlassen konnte.

6
    Ihr Computer, ein iMac, der alt genug war, um modisch retro zu wirken, stand im Hauswirtschaftsraum. Sie benutzte ihn selten für etwas anderes als E-Mails und eBay, aber jetzt öffnete sie Google und tippte den Namen Marjorie Duvall ein. Sie zögerte, bevor sie auch Beadie in das Suchfeld schrieb, aber nicht lange. Wozu die quälenden Zweifel künstlich verlängern? Er würde in diesem Zusammenhang ohnehin auftauchen, dessen war sie sich sicher. Sie drückte die Eingabetaste, und während sie zusah, wie der kleine Wartekreis sich immer wieder um sich selbst drehte, kamen die Krämpfe von vorhin zurück. Sie lief ins Bad, sank aufs WC und bedeckte ihr Gesicht dort sitzend mit den Händen. Auf der Innenseite der Badezimmertür klebte ein großer Spiegel, in dem sie sich nicht sehen wollte. Wieso war er überhaupt dort? Wieso hatte sie zugelassen , dass er dort war? Wer wollte sich auf dem Topf sitzen sehen? Selbst in besten Zeiten, zu denen dieser Abend ganz sicher nicht gehörte?
    Darcy

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