Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
Girls), aber keine richtigen Freunde. Sie war unbeholfen, wenn es darum ging, Freunde zu gewinnen, war es schon immer gewesen. Schüchtern wäre eine freundliche Beschreibung ihrer Persönlichkeit gewesen, introvertiert vermutlich zutreffender.
Dann war Bob Anderson mit einem Lächeln auf den Lippen in ihr Leben getreten - Bob, der sie zum Mitkommen eingeladen und sich nicht hatte abwimmeln lassen. Das musste kein Vierteljahr nach dem Tag gewesen sein, an dem der Schneepflugfahrer das letzte Opfer aus Beadies »erstem Zyklus« entdeckt hatte. Sie hatten sich verliebt. Und Beadie hatte sechzehn Jahre lang nicht mehr gemordet.
Ihretwegen? Weil er sie liebte? Weil er aufhören wollte, gaaanz schlimme Dinge zu tun?
Oder nur ein Zufall? Auch das wäre denkbar.
Netter Versuch, aber die Plastikkarten, die sie in der Garage versteckt gefunden hatte, machten die Vorstellung, alles könnte ein Zufall gewesen sein, weit weniger wahrscheinlich.
Beadies siebtes Opfer, das erste aus seinem »neuen Zyklus«, wie die Zeitung schrieb, war Stacey Moore gewesen, eine Frau aus Waterville, Maine. Ihr Mann hatte sie in ihrem Keller aufgefunden, als er aus Boston zurückgekommen war, wo er sich mit Freunden ein paar Spiele der Red Sox angesehen hatte. Das war im August 1997 gewesen. Ihr Kopf hatte in einem Kasten mit Zuckermais gesteckt, den die Moores an der Route 106 frisch von der Farm verkauften.
Sie war mit auf dem Rücken gefesselten Händen nackt, Gesäß und Schenkel waren mit einem Dutzend Bisswunden bedeckt.
Zwei Tage später waren Stacey Moores Führerschein und ihre Blue-Cross-Karte von einem Gummiband zusammengehalten in Augusta eingetroffen - in Druckschrift an BLÖDMANN JUSTIZMINNISTER ABT. KRINIMAL-ERMITTLUNGEN adressiert. Beigelegt war eine Mitteilung: HALLO! BIN WIEDER DA! BEADIE!
Diese Sendung erkannten die auf den Fall Moore angesetzten Kriminalbeamten sofort wieder. Ähnliche gestohlene Ausweiskarten - und ähnlich gut gelaunte Mitteilungen - waren nach allen bisherigen Morden eingetroffen. Der Täter wusste, wann seine Opfer allein waren. Er folterte sie, vor allem durch Bisse; er vergewaltigte oder missbrauchte sie sexuell; er ermordete sie; er schickte ihre Ausweise einige Wochen oder Monate später an irgendeine Polizeidienststelle. Verspottete sie damit.
Um sicherzustellen, dass die Tat ihm zugeschrieben wird, dachte Darcy bedrückt.
Im Jahr 2004 hatte Beadie einen weiteren Mord verübt, dann seinen neunten und zehnten im Jahr 2007. Diese beiden waren die scheußlichsten gewesen, weil eines der Opfer ein Kind gewesen war. Der zehnjährige Sohn der Frau war wegen Magenschmerzen aus der Schule heimgeschickt worden und hatte Beadie offenbar bei der Arbeit überrascht. Die Leiche des Jungen war mit der seiner Mutter in einem Bach aufgefunden worden. Als die Ausweise der Frau - zwei Kreditkarten und ein Führerschein - bei der Massachusetts State Police eingegangen waren, hatte auf der beigelegten Karte gestanden: HALLO! DER JUNGE WAR EIN UNFALL! SORRY! ABER ES IST SCHNELL GEGANGEN, ER MUSSTE NICHT »LEIDEN«! BEADIE!
Es gab viele weitere Artikel, die sie hätte aufrufen können (o allmächtiges Google), aber zu welchem Zweck? Der süße Traum von einem weiteren gewöhnlichen Abend in einem gewöhnlichen Leben war in einem Albtraum untergegangen. Würde er sich vertreiben lassen, indem sie mehr über Beadie las? Die Antwort darauf lag auf der Hand.
Ihre Magennerven verkrampften sich. Sie rannte ins Bad - in dem es trotz des Ventilators noch immer schlecht roch; meistens konnte man ignorieren, was für eine übelriechende Sache das Leben war, aber eben nicht immer -, sank vor dem WC auf die Knie und starrte mit offenem Mund in das blau gefärbte Wasser. Einen Augenblick lang glaubte sie, sich doch nicht übergeben zu müssen, dann dachte sie an Stacey Moore, deren Kopf mit schwarz angelaufenem Gesicht im Mais steckte und deren Gesäßbacken mit angetrocknetem Blut von der Farbe von Schokoladenmilch bedeckt waren. Das gab ihr den Rest. Sie übergab sich zweimal so heftig, dass ihr Gesicht Spritzer des blauen Desinfektionsmittels Ty-D-Bol und von ihrem eigenen Erbrochenen abbekam.
Weinend und keuchend, betätigte sie die Klospülung. Das WC würde geputzt werden müssen, aber vorerst schloss sie nur den Deckel und legte ihre heiße Wange auf den kühlen beigefarbenen Kunststoff.
Was soll ich nur tun?
Der naheliegende erste Schritt wäre ein Anruf bei der Polizei gewesen, aber was war, wenn sich nach diesem
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