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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Weltwirtschaftskrise, als im folgenden Jahr die Produktenbörse in Chicago zusammenbrach. Aber der Sommer 1922 war so perfekt, wie man ihn sich als Farmer nur wünschen konnte. Beeinträchtigt wurde er nur durch einen Vorfall, der wieder eine unserer Kuh-Gottheiten betraf und von dem ich bald erzählen werde.
    Mr. Lester kam noch zweimal heraus. Er wollte uns triezen, hatte aber nichts, mit dem er uns hätte triezen können, und war sich dessen offenbar bewusst, jedenfalls wirkte er
damals im Juli ziemlich frustriert. Ich konnte mir gut vorstellen, dass seine Bosse ihn triezten und er den Druck nur weitergab. Oder eben weiterzugeben versuchte. Beim ersten Mal stellte er zahlreiche Fragen, die in Wirklichkeit gar keine Fragen, sondern Unterstellungen waren. Ob ich glaubte, meine Frau habe einen Unfall gehabt? Sie müsse doch einen gehabt haben, sonst hätte sie sich wegen eines Barverkaufs ihrer 40 Hektar an ihn wenden oder mit (metaphorisch) eingezogenem Schwanz kleinlaut auf die Farm zurückkehren müssen, oder nicht? Solche Dinge passierten gelegentlich, oder nicht? Und für mich wäre das doch recht praktisch gewesen, oder nicht?
    Als er zum zweiten Mal aufkreuzte, wirkte er nicht nur frustriert, sondern regelrecht verzweifelt und rückte sofort mit der Sprache heraus: Hatte meine Frau hier auf der Farm einen Unfall gehabt? War es so gewesen? War sie deshalb nirgends tot oder lebendig aufgetaucht?
    »Mr. Lester«, sagte ich, »wenn Sie mich fragen, ob ich meine Frau ermordet habe, lautet die Antwort nein.«
    »Tja, was sollten Sie schon groß anderes sagen.«
    »Das war Ihre letzte Frage an mich, Sir. Steigen Sie in Ihren Wagen dort drüben, fahren Sie weg und kommen Sie nie wieder. Andernfalls jage ich Sie mit einem Axtstiel vom Hof.«
    »Dann kämen Sie wegen tätlichen Angriffs hinter Gitter!« Er trug an diesem Tag einen Zelluloidkragen, der ganz verrutscht war. Man konnte fast Mitleid mit ihm haben, wie er so dastand, während eine Kragenecke sich von unten in sein Kinn bohrte, Schweißbäche weiße Linien durch den Staub auf seinem pausbäckigen Gesicht zogen, seine Lippen zuckten und seine Augen aus den Höhlen zu quellen drohten.
    »Keineswegs«, sagte ich. »Ich habe Sie meiner Farm verwiesen, was mein gutes Recht ist, und werde Ihrer Firma
das auch schriftlich mitteilen. Sollten Sie zurückkommen, ist das Hausfriedensbruch, und ich werde Gewalt anwenden. Seien Sie gewarnt, Sir!« Lars Olsen, der Lester wieder mit seinem Red Baby hergefahren hatte, war kurz davor, die Hände hinter die Ohren zu legen, um besser hören zu können.
    Als Lester die türlose rechte Seite des Lieferwagens erreichte, warf er sich mit ausgestrecktem Arm und anklagend erhobenem Zeigefinger herum wie ein vor Gericht plädierender Anwalt mit einer Ader fürs Theatralische. »Ich glaube, dass Sie sie ermordet haben! Und Mord kommt früher oder später ans Licht der Sonne!«
    Henry - oder Hank, wie er jetzt genannt werden wollte -, kam aus der Scheune. Er hatte auf dem Heuboden gearbeitet und hielt die Heugabel jetzt schräg vor der Brust wie ein Wachposten sein Gewehr. »Und ich glaube, Sie sollten von hier verschwinden, bevor Sie zu bluten anfangen«, sagte er. Der freundliche und ziemlich schüchterne Junge, den ich bis zum Sommer 1922 gekannt hatte, hätte so was nie gesagt, aber der hier tat es, und Lester merkte, dass das sein Ernst war. Er stieg ein. Weil er keine Tür zuknallen konnte, musste er sich damit begnügen, die Arme zu verschränken.
    »Du bist immer willkommen, Lars«, sagte ich freundlich, »aber bring ihn nicht mit, so viel er dir auch dafür bietet, dass du seinen wertlosen Arsch herkarrst.«
    »Nein, Sir, Mr. James«, sagte Lars und fuhr mit ihm davon.
    Ich wandte mich Henry zu. »Hättest du ihn wirklich mit der Heugabel aufgespießt?«
    »Jawohl. Dass er gequietscht hätte.« Dann ging er ohne ein Lächeln in die Scheune zurück.
     
    Aber er war in diesem Sommer nicht immer ernst, und Shannon Cotterie war der Grund dafür. Er war oft mit ihr
zusammen (mehr als beiden guttat, wie sich im Herbst herausstellen sollte). Sie kam regelmäßig an Dienstag- und Donnerstagnachmittagen zu uns: in einem langen Rock und mit einer adretten Haube und einer Umhängetasche, die alle möglichen guten Sachen enthielt. Sie wisse, »was sich Männer kochen«, sagte sie - als wäre sie 30 statt eben erst 15 -, und werde dafür sorgen, dass wir mindestens zweimal die Woche ein anständiges Abendessen bekämen. Und obwohl ich nur

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