Zwischen Olivenhainen (German Edition)
um das Lenkrad.
„Und dass die ihre Leichen in Säure auflösen?“, fragte sie und erinnerte sich an eine Geschichte, die Anne ihr einmal erzählt hatte.
„Herrgott, woher soll ich das wissen?!“, entfuhr es Raffaello plötzlich wütend.
„Schweigen ist Gold, hm?“, sagte sie. „Bei dir auch?“ Er lachte trocken auf.
„Das habe ich nicht nötig, glaub mir, Leslie“, sagte er. „Hör mal, das Thema geht mir gewaltig auf die Nerven, weißt du? Kannst du nicht über etwas Anderes reden?“ Warum reagierte er auf einmal so abweisend?
„Nur eins noch“, flehte sie, „Anne hat mal erzählt, dass …“
„Leslie“, unterbrach er sie ernst, „was immer du zu dem Thema Cosa Nostra sagen willst – lass es sein. Es ist besser, nichts zu wissen.“
„Schweigen ist also doch Gold“, murmelte sie. Er gab keine Antwort darauf. Starrte nur weiter verbissen geradeaus auf die Straße. Und setzte seine Sonnenbrille wieder auf.
„Oder sollte ich vielleicht besser sagen, Schweigen ist Leben?“, fragte sie, nachdem sie sich an einige Szenen aus dem ‚Paten‘ erinnert hatte.
„Ach, lass den Quatsch“, knurrte Raffaello.
Den Rest der Fahrt schwiegen sie und Leslie dachte über das Wenige nach, das sie von ihm erfahren hatte. Was brauchte ihn das Thema zu interessieren? Wenn er nichts mit der Mafia zu tun hatte, warum regte er sich dann so auf? Fast meinte sie, Annes Stimme zu hören, die ihr zuwisperte: „Vielleicht hat er ja was damit zu tun …!“ Ach, vollkommener Unsinn. Leslie schaute zu Raffaello hinüber. Er schwieg noch immer und starrte regungslos auf die Straße.
„ Scusi “, sagte er irgendwann.
„Wofür?“
„Naja, ich bin eben ausgetickt. Ich hätte nicht so mit dir reden dürfen.“ Leslie notierte sich in Gedanken einen Pluspunkt für ihn.
„Schon vergessen“, sagte sie.
„Das Thema ist nur … sehr ernst“, sagte er. „Ernster, als viele denken. Es ist besser, nicht darüber zu sprechen, verstehst du?“
„Aha“, machte sie. „Na gut … Es interessiert mich auch nicht wirklich.“
„Das sollte es auch nicht“, erwiderte er todernst.
Sie fuhren noch etwa eine halbe Stunde schweigend auf der Autobahn, dann bog Raffaello – dieses Mal ohne den Blinker zu setzen, scheinbar hielt er es für überflüssig, wenn keine Polizei in der Nähe war – auf einen breiten Schotterweg ein, der bald vor einem hohen, schneeweiß gestrichenen Holztor endete, ein.
Er stieg aus dem Auto, kramte eine Weile in seiner Hosentasche herum und beförderte dann einen Schlüssel zutage, mit dem er das Tor aufschloss. Scheinbar war er so gut mit Mario befreundet, dass dieser ihm erlaubte, ihn zu besuchen, wann er wollte. Dann stieg Raffaello wieder ein und der Maserati tuckerte langsam die schmale, gewundene Auffahrt entlang, bis er direkt vor der Frontseite des strahlend weißen, modernen Hauses, das aufgrund seiner Größe schon eher die Bezeichnung ‚Villa‘ verdient hätte, zum Stehen kam.
„Schick“, bemerkte Leslie und musterte Marios Haus, doch Raffaello stieß einen verächtlichen Seufzer aus.
„Ein wenig spießig für meinen Geschmack“, sagte er. „Zu kantig und modern. Aber was soll’s.“ Er zuckte die Achseln. „Mario ist eben ein ziemlich … neumodischer Mensch.“ Er grinste und schob sich die Sonnenbrille ins Haar.
Spießig, dachte Leslie, wenn hier jemand spießig war, dann ja wohl er.
Raffaello ging voraus auf die schwarze Eingangstür zu, die einen interessanten Kontrast zu all dem Weiß bildete, und Leslie folgte ihm. Als sie über die Schulter blickte, sah sie die Männer im Schatten der schmalen Zypressen stehen, die zu beiden Seiten der gewundenen Auffahrt in einer Allee wuchsen. Genau, wie bei den Ruggieros, dachte sie leicht erschrocken und stellte mit Unbehagen fest, dass auch die Drei – immerhin war es keine ganze Armee, wie bei Raffaello – Waffen trugen. Was machte Mario so wichtig? Bei Raffaellos Vater hatte sie es ja noch verstehen können, aber was hatte Mario mit dem Politikerkram zu tun?
„Raffaello?“, fragte sie leise und hielt ihn am Arm zurück.
„Hm?“, fragte er und drehte sich zu ihr um.
„Warum haben die da hinten Gewehre …?“ Raffaello folgte ihrem besorgten Blick und sie konnte sehen, wie sich ein Pokerface auf sein Gesicht legte. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. War er nervös?
„Mario ist sehr … wie soll ich sagen? Naja, er hat große Angst vor Einbrüchen. Komm jetzt“, sagte er und wollte
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