Zwischen Olivenhainen (German Edition)
sie schon weiterziehen, doch sie blieb stehen.
„Und das soll ich dir abkaufen?“, entgegnete sie trocken. Raffaello holte tief Luft.
„Na gut“, seufzte er, „ich hatte gehofft, du würdest die Drei nicht bemerken. Ehrlich gesagt dachte ich nicht, dass sie noch da sind, aber offenbar habe ich mich geirrt. Sie sind hier, weil es eine Morddrohung gegen Mario gab.“
„Was?!“ Er nickte. Todernst.
„Warum das denn?“, fragte Leslie entsetzt. Mit einem Mal fühlte sie sich schrecklich unwohl. Sogar in Raffaellos Gegenwart. Doch der zuckte nur die Achseln.
„Das weiß ich auch nicht so recht“, sagte er. „Wahrscheinlich war es irgendjemand, dem er mal vor Gericht auf die Füße getreten ist. Er ist so was wie ein Anwalt, weißt du?“
Leslie nickte. Das passte – aber irgendwie auch nicht. Doch sie würde mit Sicherheit nicht mehr von Raffaello erfahren. Sie hatte das Gefühl, dass er absolut nicht gerne über sich und seine Angelegenheiten sprach. Nun, dann sollte er es sein lassen.
„War’s das mit deiner Frage?“, fragte er sie. Sie nickte. Bis auf weiteres, dachte sie.
Die Tür wurde geöffnet, gerade, als Raffaello sich wieder umdrehte. Mario stand im Rahmen und grinste ihnen mit blitzenden blaugrauen Augen entgegen.
„Leslie! Raffaello!“, rief er fröhlich und umarmte erst Raffaello, dann Leslie, die unter seinem kräftigen Griff nach Luft schnappen musste, ob vor Überraschung oder Schrecken.
„Kommt rein“, sagte Mario eifrig und eilte voraus. „Die Pizza steht schon auf dem Tisch und der Nachtisch im Kühlschrank!“
Er war noch immer so groß, wie Leslie ihn in Erinnerung hatte. Und genauso schlaksig. Er trug eine lange Schürze, die dennoch ein wenig zu kurz an ihm wirkte. Seine dichten, schwarzen Locken wippten beim Gehen fröhlich auf und ab. Jetzt registrierte Leslie den Duft, den der frische Pizzateig im ganzen Haus verströmte – und Raffaello hatte recht gehabt, stellte sie fest, als sie einige Minuten später neben ihm an einem großen, schwarz glänzenden, runden Tisch saß und ein Stück von Marios Pizza probierte. Tiefkühlpizza war gar nichts dagegen. Bis auf den vielen Rucola, den hätte Mario ruhig weglassen können, dachte sie, aber die Tomaten, der Käse und was auch immer er noch alles auf den Teig gelegt hatte, schmeckte wirklich ausgezeichnet.
„Schmeckt’s?“, fragte Mario und blickte gespannt zu ihr herüber.
„Hmm“, machte sie mit vollem Mund und Mario lächelte zufrieden.
„Ich hab’ was Neues ausprobiert“, sagte er, „Calamari und Orangenscheiben.“ Leslie hielt inne. Tintenfisch?
„Calamari?“, widerholte Raffaello. Auch er hatte seine Gabel sinken lassen. „Wo? Ich kann keinen sehen.“
„Klein geschnitten und mit der Soße vermischt“, erklärte Mario stolz.
„Aha“, murmelte Raffaello und Leslie schätzte, dass er Tintenfisch nicht besonders leiden konnte. Jedenfalls aß er von nun an mit gequältem Gesichtsausdruck weiter. Mario grinste amüsiert. Allem Anschein nach wusste er genau von der Aversion seines besten Freundes. Dann wandte er sich an Leslie.
„Du bist also wieder da …“, sagte er und betrachtete sie eingehend. Sie nickte.
„Und Raffaello hat dich wieder getroffen. Ausgerechnet. Genialer Zufall, wenn ihr mich fragt!“ Seine hellen Augen blitzten auf.
„Erst heult er sich die Augen bei mir aus, weil du nach Hause geflogen bist, Leslie – und dann kommt er vorbei und fragt mich, ob er dich mit zu mir zum Pizzaessen bringen kann.“ Er grinste. Beinahe wirkte er wie ein fasziniertes Kind. Raffaello hatte aufgehört zu essen. Und starrte seinen Freund mit ausdruckslosem Gesicht an.
„Ich habe nicht ‚geheult‘“, sagte er trocken. „Ich fand es lediglich ‚sehr schade‘, dass Leslie gegangen ist.“ Aber Mario zwinkerte Leslie verschwörerisch zu. Die lächelte höflich und aß weiter.
„Aber“, sagte Mario, „ganz ehrlich, Leslie, ich habe mich wirklich gefreut, als ich hörte, dass du wieder da bist. Machst du Urlaub? Oder willst du ihm –“, er nickte mit dem Kopf in Richtung Raffaello „– eine zweite Chance geben?“ Wie bitte?! Leslie verschluckte sich an ihrer Pizza. Hatte Raffaello Mario davon erzählt? Von dem verpatzten Kuss? Au Backe …
„Mario“, unterbrach Raffaello seinen Freund, „Mario, warum zählst du Leslie nicht sämtliche Zutaten deiner Calamari Pizza auf? Ist bestimmt weitaus interessanter, als vergangener … Kram.“ Er räusperte sich.
„Kram.“ Wie
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