Zwischen Olivenhainen (German Edition)
ich der Mafia in die Klauen falle! Scheiße, Anne, das ist alles nicht wahr, was da drin steht! Und wenn du ihn besser kennen würdest, wüsstest du das auch. Aber nein, du heckst ja lieber mit Antonio Intrigen aus! Und außerdem ist er nicht ‚mein Lover‘!“ Anne starrte sie mit offenem Mund an.
„Kennst du ihn denn?“, erwiderte sie kühl. Und Leslie wurde zu deutlich bewusst, dass sie das nicht tat. Nicht gut genug jedenfalls.
„Ja!“, sagte sie trotzig, aber sie wusste, dass Anne ihr nicht glaubte. „Ich will keinen Einzigen mehr von deinen dämlichen Artikeln sehen, klar?“, sagte sie. „Du kannst meinetwegen im Internet nach allem suchen, was du willst – aber verschone mich mit deinen blöden Anschuldigungen!“ Anne schwieg. Spielte mit der Ecke des Blatt Papiers, das noch übrig war, und senkte den Blick. Eine Weile lang hörte man nur das laute Ticken der alten Wanduhr.
„Ich wollte dir wirklich nur helfen“, murmelte Anne dann. „Ist es nicht normal, dass ich alarmiert bin und mir Sorgen mache, wenn ich so was“, sie deutete auf die Blätter, „lese?“ Sie hatte recht. Irgendwie zumindest. Ein bisschen. Das war Leslie durchaus bewusst. Aber das alles war ihre Angelegenheit, nicht Annes.
„Ich mache mich fertig“, sagte sie frostig und verschwand im Bad, um zu duschen. Als sie kurz über die Schulter blickte, sah sie, wie Anne ihre Ausdrucke zu einer großen Kugel zusammenknüllte.
Je näher der Tag ihrem Treffen mit Raffaello rückte, desto aufgeregter wurde sie. Eine geschlagene Stunde lang stand sie ratlos vor ihrem Schrank, nahm ein Kleid heraus, dann Shorts und ein T-Shirt – und pfefferte alles wieder frustriert auf ihr Bett. Himmel nochmal, sie kannte Raffaello – er kannte sie, sie fuhren nur zu Mario, also was kümmerte es sie, was sie anzog?
Irgendwann kam Anne zu ihr ins Zimmer und holte wortlos ein hellgraues Kleid mit Spaghettiträgern aus ihrem Schrank, dazu legte sie Leslie ihre roten Herzohrringe aufs Bett, dann verschwand sie genauso wortlos aus der Tür, bevor sich Leslie bedanken konnte. Sie hätte schwören können, dass Anne traurig ausgesehen hatte, und enttäuscht. Sofort fühlte sie sich miserabel. Aber sie zog Annes Kleid trotzdem an. Es passte wunderbar zu ihren hellgrauen Augen. Dann schlüpfte sie in ihre Sandalen, setzte sich mehr oder weniger zufrieden aufs Bett – und wartete.
Pünktlich um zwölf hörte sie draußen vor dem Haus Autoreifen auf dem Kies knirschen. Dann schlug eine Wagentür zu und kurz darauf klopfte es an der Haustür. Leslie atmete tief durch, dann ging sie in die Diele. Anne hatte sich aus dem Staub gemacht, jedenfalls war sie nicht im Haus. Sicher saß sie jetzt am Strand und machte ihrem Ärger Luft.
„Hi, Leslie“, sagte Raffaello, als sie die Tür öffnete. Er sah verboten gut aus und sie ertappte sich dabei, wie sie ihn mit offenem Mund anstarrte. Er trug ein olivgrünes Hemd, das er – wie immer – ein wenig zu weit aufgeknöpft hatte, und eine schlichte, aber sauteuer aussehende Jeans. Ach, und nicht zu vergessen die Sonnenbrille, die er sich in das störrische, schwarze Haar geschoben hatte. Leslie schluckte.
„Hi“, murmelte sie und zog die Tür hinter sich zu.
„Mario freut sich schon auf dich“, sagte Raffaello, als er ihr die Wagentür öffnete. „Ich glaube, er hat dich echt vermisst.“
„Oh“, machte Leslie nur. Herrgott, warum fühlte sie sich auf einmal so befangen? Sie hatte Raffaello doch erst gestern getroffen. Aber das Gefühl ließ sich nicht vertreiben. Außerdem war da noch dieses nervtötende Herzklopfen, das sie jetzt absolut nicht gebrauchen konnte. Raffaello ließ den Motor an und gleichzeitig ertönte aus den Lautsprechern „ Old Before I Die “. Leslie musste grinsen.
„Ich hab’ mich schon gefragt, ob du den Song immer noch so gerne hörst“, sagte sie. Raffaello grinste und setzte seine Sonnenbrille auf, während er langsam die Einfahrt in Richtung Straße entlangfuhr.
„Das ist das Problem an Lieblingsliedern“, sagte er, „man kann sie nie oft genug hören. Außerdem habe ich in Erinnerung, dass du Robbie Williams-Fan bist.“ Schleimer, dachte Leslie, aber sie musste ein freudiges Grinsen unterdrücken. Den Streit mit Anne hatte sie schon fast vergessen. Jetzt war sie nur noch aufgeregt. Obwohl dazu absolut gar kein Grund bestand, schalt sie sich selbst in Gedanken.
Der schwarze Maserati schoss mit offenem Dach über die Autobahn, der heiße Fahrtwind zerzauste
Weitere Kostenlose Bücher