Zwischen Olivenhainen (German Edition)
lächelte.
„Oh“, machte Leslie, „danke.“
„Er traut sich nicht, Frauen Komplimente zu machen“, sagte er grinsend und drehte sie im Kreis. „Einmal hat er es getan und sich umgehend eine saftige Ohrfeige eingefangen. Da war er sechzehn und ziemlich unverschämt.“ Leslie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Mario jemals zu irgendwem unverschämt gewesen war.
„Hast du Lust, den nächsten Tanz auch noch mit mir zu tanzen?“, fragte er sie am Ende des Liedes und Leslie nickte vorsichtig. Es war nicht schlimm gewesen, sogar ganz schön, und schlimmer konnte es nicht werden. Aber das wurde es.
Als die ersten rhythmischen Schläge ertönten und Raffaello sie näher zu sich heranholte, sträubte sich etwas in ihr. Die Musik schien die Luft um sie herum zu elektrisieren und fast meinte Leslie, es sei um einige Grad wärmer geworden. Sie blickte zu Raffaello auf und zuckte ein wenig zurück. Himmel, war er ihr nahe! Sie konnte jede einzelne Wimper an seinen Lidern zählen. Sie warfen Schatten auf seine dunklen Augen, aber etwas in ihnen glitzerte. Er erwiderte ihren Blick, ohne zu blinzeln und Leslie versuchte, den Kopf zu senken, irgendwo anders hinzusehen, aber er nagelte sie schier fest mit seinem Blick. Sein Griff um ihre Taille und ihre Hand war fester geworden, seine Hände viel wärmer. Jedenfalls kam es ihr so vor.
„Ein Tango“, sagte er leise. „Kannst du den?“ Sie schüttelte kläglich den Kopf.
„Nein“, wimmerte sie, aber da hatte er längst die ersten Schritte gemacht. Anfangs stolperte sie nur panisch hinterher, aber dann nahm sie die elektrisierende Musik immer mehr und mehr gefangen und sie folgte nur noch Raffaellos Bewegungen. Sie sprachen dieses Mal kein Wort, aber das machte nichts. Sie nahm sein Schweigen hin, ließ sich von ihm durch die Menge wirbeln, stolperte nicht einmal und diese erdrückende, ungewohnte Nähe zu ihm störte sie nicht, ließ ihr lediglich einen leisen Schauer über den Rücken laufen und ein wenig erröten, wobei sie inständig hoffte, dass das in dem bunten, flackernden Licht nicht zu sehen war. Irgendetwas schien die Musik mit ihr angestellt zu haben. Irgendwann, nach einer halben Ewigkeit, endete der Tanz und Leslie brauchte einen Moment, um sich zu besinnen. Sie blinzelte.
„Faszinierender Tanz, so ein Tango, nicht?“, fragte Raffaello.
„Hm, ja, ja“, machte Leslie abwesend und er lächelte.
„Noch einen?“, fragte er, aber sie schüttelte entsetzt den Kopf.
„ Va bene “, sagte er, ergriff ihre Hand und zog sie mit sich auf die Bar in der Ecke zu, an der Mario schon wartete.
„Sah echt heiß aus“, sagte Mario grinsend und nickte anerkennend. „Ich konnte noch nie Tango tanzen.“ Raffaello lächelte verkrampft, wandte sich dann an den Kellner, der hinter dem Tresen stand und reichte Leslie kurz darauf ein Glas mit etwas, von dem sie lieber nicht wissen wollte, was es war, geschweige denn es probieren. Es hatte die gleiche Farbe, wie Raffaellos Hemd: dunkelrot. Und es sah – im Gegensatz zu seinem Hemd, das ihm ausgezeichnet stand – ekelhaft aus.
„Was ist das?“, fragte sie und roch an dem Inhalt. Er roch süßlich. Raffaello nahm einen Schluck aus seinem Glas.
„Gefärbter Saft. Soll Blut sein oder so ähnlich …“
„Das glaubst du ja selbst nicht!“, entgegnete sie trocken. Sie befürchtete, dass das Zeug Alkohol war. Wie viel Prozentiger – darüber wollte sie lieber erst gar nicht nachdenken.
Raffaello schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er, „glaube ich auch nicht. Wird Orangensaft sein … Moment, ich frag den Kellner!“ Er wandte sich dem Typen mit Schürze zu.
„Es ist irgendein alkoholischer Kram“, verkündete er dann. „Keine Sorge, ich werde nur dieses eine Glas hier trinken“, fügte er hinzu, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. Aber das tat er nicht. Nicht ganz jedenfalls. Denn im nächsten Augenblick bekam Leslie von dem Barkeeper noch ein Glas zugeschoben. Ein ziemlich bunter Cocktail mit einer Limonenscheibe.
„Der ist von dem Herrn dort drüben“, sagte er und deutete auf die andere Seite des Tresens. Ein junger Mann saß dort und nickte ihr freundlich zu. Sie erwiderte seinen Gruß nicht und ließ das Glas auf dem Tisch stehen, ohne es anzurühren. Raffaello hatte den Mann bemerkt, die Worte des Kellners waren ihm nicht entgangen und auch Mario blickte zu dem Fremden hin. Der Mann erhob sich und kam auf sie zu. Raffaello fluchte irgendetwas auf Italienisch,
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