Zwischen Olivenhainen (German Edition)
das klang wie:
„ Merda , der hat uns noch gefehlt! Mario, warum hast du ihn eingeladen?! Er hat mit der Familie nichts zu tun!“ Mit der ‚Familie‘, dachte Leslie – und schalt sich im nächsten Moment selbst für ihren dummen Hintergedanken. Mario erwiderte irgendetwas, scheinbar zu seiner Verteidigung, dann war der Fremde bei ihnen angekommen. Leslie fiel die Kinnlade herunter. Er sah Raffaello verdammt ähnlich. Nur etwas älter, ernster und mit glatten, nach hinten gekämmten Haaren. Seine Nase war nicht so fein und gerade, wie Raffaellos, sondern größer und breiter, seine Lippen schmaler. Und er war einige Zentimeter kleiner. Aber er hatte genau die gleichen Augen wie Raffaello. Er lächelte höflich in die Runde und gab jedem von ihnen die Hand. Leslie gab er einen übertriebenen Handkuss. Raffaello quittierte das mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem missbilligenden Schnauben.
„Ich wusste gar nicht, dass mein kleiner Bruder so eine reizende Freundin hat“, sagte der Mann und musterte Leslie von oben bis unten. „Warum stellst du sie mir nicht vor?“, fragte er an Raffaello gewandt. Und jetzt fiel es Leslie wie Schuppen von den Augen. Er war Raffaellos Bruder. Der, von dem er behauptet hatte, er mache Ärger. Deshalb sah er ihm auch so ähnlich.
Raffaello verzog keine Miene, als er sagte: „Leslie, das ist mein Bruder Francesco“, – von dem ich dir schon erzählt habe, sagte sein Blick – „Francesco, das ist Leslie McEvans.“
„Hallo“, murmelte Leslie. Francesco verzog den Mund zu einem freundlichen Lächeln, das doch irgendwie aufgesetzt und gespielt wirkte. Nicht vertrauenswürdig jedenfalls.
„Ich habe jahrelang in den USA gelebt – in Manhattan“, erklärte er. „Also kannst du getrost auf Englisch mit mir reden.“ Er musterte sie noch immer eingehend, fast prüfend. Die feinen Härchen auf Leslies Unterarmen sträubten sich. Der Typ war anders. So anders als Raffaello. Irgendwie unangenehm.
„Hm“, machte sie und rückte ein Stück näher an Raffaellos Seite. Der ergriff ihre Hand und im Augenblick war ihr das kein bisschen peinlich. Es gab ihr sogar das Gefühl von Sicherheit. Francescos Blick war stechend, so, als durchschaue er alles und jeden sofort. Fast wie Gosetti, schoss es Leslie durch den Kopf.
„Lange nicht gesehen, Bruderherz“, sagte er und durchbohrte Raffaello mit seinen Blicken, der inzwischen ein perfektes Pokerface aufgesetzt hatte. „Wie geht’s der ‚ Family ‘?“
„Du weißt, wie es der ‚ Family ‘ geht“, erwiderte Raffaello ruhig. Leslie schätzte, dass er wieder an seinen Vater denken musste und deshalb so kühl geworden war. Weil Francesco dessen plötzlichen Tod anscheinend locker weggesteckt hatte, ohne sich groß darum zu kümmern.
„Mein Beileid übrigens“, sagte Francesco dann. Raffaello starrte ihn an. Seine Augen schienen eine Spur dunkler geworden zu sein. Er wirkte so ruhig, wie eine tickende Zeitbombe. Sein Griff um Leslies Hand war fester geworden.
„Er war auch dein Vater“, entgegnete er kühl. Doch Francesco verzog das Gesicht.
„Ja“, sagte er verächtlich, „und in vielerlei Hinsicht war er das nicht, wenn du verstehst.“ Raffaello entgegnete nichts. Er starrte ihn nur unentwegt an, fast schon hasserfüllt. Mario stand neben ihm und hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt, scheinbar wusste er, wie sein bester Freund auf den Tod seines Vaters zu sprechen war. Die beiden wirkten beinahe wie ein eingeschworenes Team, eine Einheit gegen Raffaellos Bruder. Francesco wechselte ins Italienische, doch Raffaello antwortete nur äußerst knapp, wenn überhaupt. Ganz allmählich fragte Leslie sich, was wohl zwischen den beiden vorgefallen war, dass sie sich gegenseitig so verachteten.
„Leslie“, sagte Raffaello nach einer Weile, ohne den Blick von seinem Bruder zu wenden, „hast du Lust zu tanzen?“ Doch er wartete gar nicht erst ihre Antwort ab, sondern zog sie einfach an der Hand hinter sich her auf die Tanzfläche, hinein in die dichte Menschenmenge. Ein ganz gewöhnlicher Foxtrott. Das war einfach, sogar mit diesen schrecklichen Schuhen. Raffaello blickte verbissen über ihre Schulter, sein Griff war fest und seine Bewegungen angespannt.
„Magst du ihn nicht?“, fragte Leslie vorsichtig, obwohl das offensichtlich war. Raffaello schnaubte verächtlich durch die Nase.
„Er ist mein Bruder, aber er gehört nicht zur Familie. Nicht mehr. Er hat nur Ärger gemacht.“
„Was für
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