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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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Ärger?“
    „Wenn ich könnte, würde ich’s dir sagen, glaub mir, aber das täte dir womöglich nicht so gut.“ Was faselte er da auf einmal?!
    „Quatsch!“, sagte sie. „Vertraust du mir etwa nicht?“ Einen kurzen Moment lang sah er so elend aus, dass sie ihn fast umarmt hätte.
    „Doch“, sagte er nur. Mehr nicht.
    Sie tanzten einfach weiter. Leslie sah ihn die ganze Zeit über an, doch sein Blick streifte unruhig durch die Menge. Fast schien es, als warte er auf irgendetwas. Auf irgendetwas Beunruhigendes.
    „Was hat er gemeint, als er sagte, in vielerlei Hinsicht sei dein Vater … nicht auch seiner?“, fragte sie irgendwann, und als sie den starren Ausdruck auf seinem schönen Gesicht sah, wünschte sie, sie hätte das nicht gesagt.
    „Das hat er mit voller Absicht vor dir gesagt, Leslie“, erwiderte er grimmig, „um mich zu – Boia mondo! Ich hab’s doch gewusst!“ Er war stehen geblieben. Leslie konnte alle Muskeln unter seinem Hemd spüren, die er angespannt hatte. Hart wie Stahl war er – und starrte über ihre Schulter. Die tiefbraunen Augen entsetzt aufgerissen, doch schon im nächsten Moment funkelte blanke Wut in ihnen. Die Tanzfläche war leer. Keiner war mehr da, nur Raffaello und Leslie. Ganz alleine. Und alle sahen sie an. Leslie drehte sich um.
    Da waren sie auf einmal. Sie standen so plötzlich zwischen all den anderen Gästen, dass sie auf den ersten Blick unwirklich erschienen. Auf ihren dunkelblauen Uniformen standen drei Worte: ‚ POLIZIA DI STATO ‘.
    Polizei.
    Raffaellos Bruder.
    ‚Familie‘.
    Raffaellos Vater, der erschossen worden war.
    Mario, sein Berater.
    Annes Artikel.
    Entsetzen packte Leslie. Ganz fest klammerte sie sich an Raffaello, als sie bemerkte, wie die ersten Männer in pikfeinen Anzügen von einigen Polizisten in Handschellen abgeführt wurden.
    „Leslie“, sagte Raffaello tonlos, „du hättest nie hier sein dürfen.“ Sie sah nur entsetzt zu ihm auf.
    „Was wollen die?“, krächzte sie, aber er schüttelte den Kopf.
    „Kein Wort“, sagte er ruhig. „Sag denen kein Wort.“ Sie verstand nicht ganz. Was sollte sie denn bitteschön nicht sagen? Sie wusste doch rein gar nichts. Über irgendwas. Raffaello hatte sie stets im Unklaren gelassen.
    Die Menschenmenge löste sich aus ihrer Erstarrung. Alle auf einmal fingen sie an, kreischend auf die Ausgänge zuzurennen. Tische wurden dabei umgerissen, Stühle fielen zu Boden, Gläser zerbarsten auf dem glatten Parkett. Wie in Trance nahm Leslie das alles wahr, die fliehenden Menschen – ganz kurz war ihr, als sähe sie Mario, den die Polizisten in Handschellen abführten – vor ihrem geistigen Auge flackerte Francescos Grinsen auf. Sie blinzelte, versuchte dieses Bild loszuwerden, schüttelte den Kopf – als sie spürte, wie Raffaello von ihr gerissen wurde. Er hielt ihre Hand so lange umklammert, wie möglich, schlug und trat mit gewaltiger Kraft um sich, bis drei Polizeibeamte auf einmal ihm einen Arm auf den Rücken drehten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht gab er auf. Sie legten ihm Handschellen an, zu viert brachten sie ihn dazu, mit ihnen zu kommen, während er sich immer wieder voll Wut umsah. Seine Blicke suchten Leslies.
    „Kein Wort, Leslie, hörst du? Sag denen kein Wort!“, brüllte er über die Schulter und den ganzen Lärm im Raum. „Sag denen kein Wort!“ Dann war er von Polizisten umgeben, einige hatten die Pistolen gezückt – und war wenig später in der Menschenmenge verschwunden.
    Leslie stand nur da. Unfähig, sich zu bewegen. Entsetzt. Und verwirrt. Sie hatte Angst. Schreckliche Angst. Wagte nicht, sich zu bewegen. Sie atmete schnell. Viel zu schnell. Was in Gottes Namen hatte das alles zu bedeuten?
    Aber ihr wurde klar, dass sie das längst wusste.
    So wie Anne es gewusst hatte.
    Und Antonio.
    Und als sie das metallische Klacken hinter sich hörte, kalten Stahl um ihre Handgelenke spürte, schaute sie sich nicht um. Ließ sich nur voranschieben, stolperte wegen der hohen Absätze. Das lange Haar klebte an ihren Lippen. Wie in Trance folgte sie dem Polizisten auf den Flur, der voller Menschen war. Zu ihrem Erstaunen musste sie nicht weinen.
    Sie begriff nur plötzlich alles.

28
    Draußen vor dem Club wimmelte es vor Polizisten. Autos mit Blaulicht parkten auf der Straße, versperrten die Ausfahrt – und über all dem lag ein hektisches Stimmengewirr. Polizisten gaben Kommandos, Autotüren wurden zugeschlagen, Flüche und Beschimpfungen ausgestoßen. Einige Beamte

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