Zwischen Olivenhainen (German Edition)
dürfen“, sagte er mit fester Stimme. Und dann küsste er sie ohne Vorwarnung. Es dauerte endlos lange, ihr Herz raste und sie musste sich an ihm festhalten, bevor ihre Knie nachgeben konnten. Sie schob ihn von sich weg, sanft aber bestimmt, doch sie trat nicht einen Schritt von ihm zurück. Irgendetwas in ihr schien noch näher bei ihm sein zu wollen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht glich einer Maske. Wie aus Eis.
„Ich treffe wohl nie den richtigen Zeitpunkt, was?“, fragte er leise, aber sie antwortete nicht darauf. Holte tief Luft und zwang sich mit aller Kraft, gegen dieses entsetzliche Ziehen in der Brust anzukämpfen, während sie ihn ansah.
„Wie hast du dir das eigentlich gedacht?“, fragte sie dann. „Glaubst du, das funktioniert? Einfach so?“ Sie schluckte. „Nach allem, was ich über dich erfahren habe? Erfahren musste?“ Er senkte den Blick. Gott, was hatte sie jetzt wieder vermasselt?
„Wir haben uns letztes Jahr gegenseitig verletzt, Leslie“, sagte er leise. „Es war nichts weiter als ein dummes Missverständnis meinerseits. Gut, daran kann man nichts mehr ändern.“
„Es geht nicht um letztes Jahr, Raffaello“, sagte sie. Er blickte ihr fest in die Augen.
„Ich weiß, was Gosetti dir erzählt hat. Und das ist längst nicht alles. Es ist dein gutes Recht, wenn du mich nie wieder sehen willst. Wenn du zurückfliegen willst. Aber …“, fast hoffnungsvoll sah er sie an, „was hältst du von einem Neuanfang?“ Sie schluckte. Und konnte den Blick nicht von seinen dunklen Augen abwenden. Sie rang mit sich, so sehr, dass man es ihr deutlich ansehen musste, denn Raffaello lachte leise auf. Aber es klang nicht fröhlich. Was wollte sie eigentlich? Nach Hause fliegen kam ja wohl gar nicht infrage, zumal ihr Urlaub noch nicht einmal zu Ende war.
„Ich denke, ich könnte es nicht aushalten, dich nicht mehr zu sehen …“, murmelte sie, bevor sie sich daran hindern konnte, und blickte zu ihm auf. Er lächelte, aber es wirkte nachdenklich. Eine Weile standen sie einfach nur da, ohne zu reden, ohne sich zu rühren und dann öffnete Raffaello die Beifahrertür seines Maseratis.
„Ich sollte dich nach Hause bringen“, sagte er. „Deine Freundin wird sich Sorgen machen.“
Und was für welche, dachte Leslie. Sie zögerte kurz, dann kletterte sie in sein Auto und wenig später saß er neben ihr, aber er startete den Motor nicht. Saß nur stumm da und blickte durch die Windschutzscheibe. Es war totenstill. Leslie fragte sich, ob Anne bereits alles im Fernsehen gesehen hatte. Oder ob es schon irgendwo im Internet stand.
Mafiosi verhaftet. Capo geschnappt – und wieder freigelassen.
Sie hatte Angst vor dem, was sie zu Hause erwarten würde. Wie würde Anne reagieren, wenn sie erfuhr, dass sie verhaftet worden war? Wegen Raffaello. Sie würde ihm todsicher ohne zu zögern ein Küchenmesser durch den Hals jagen. Obwohl er nicht Schuld daran war. Daran, dass er in seiner Familie aufgewachsen war. Dass er mit all dem Mafiakram groß geworden war. Sie dachte an die Morde, für die er verantwortlich sein sollte und plötzlich wollte sie nicht nach Hause. Auf keinen Fall.
„Ich will nicht zu Anne zurück“, sagte sie leise. „Kann ich mit zu dir?“ Raffaello sah sie überrascht an, aber dann schüttelte er den Kopf.
„Nein“, sagte er, „ich glaube, das wäre keine gute Idee.“
„Warum?“
„Weil … sich deine Freundin Sorgen macht, Leslie.“
„Ich rufe sie an, dann weiß sie, wo ich bin“, sagte sie und wollte schon in ihrer Tasche kramen, doch er hielt ihre Hand fest. Und sah sie eindringlich an.
„Sie wird mir die Polizia auf den Hals hetzen“, sagte er. „Einmal reicht mir für heute. Und dir sicher auch.“ Leslie nickte widerwillig, dann startete er den Motor.
Sie fuhren durch die nächtlichen Straßen Palermos. Ein paarmal fielen Leslie die Augen zu, aber sie zwang sich, wach zu bleiben.
„Die haben Fotos von uns gemacht“, murmelte sie irgendwann, als sie auf die Autobahn abgebogen waren. Raffaello wirkte nicht im Mindesten überrascht.
„Wir werden andauernd überwacht“, sagte er seufzend. „Das ist nichts Neues. Ich will gar nicht wissen, wobei die mich schon alles fotografiert haben.“
„Es gibt auch Fotos von uns“, sagte Leslie leise.
„Hab’ ich mir gedacht“, entgegnete er.
„Meinst du …, die haben auch welche von eben …? Vor dem Hotel?“
„Von unserem Kuss?“, fragte er. „Bestimmt.“ Er überholte einen klapprigen
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