Zwischen Olivenhainen (German Edition)
aufzusehen. Ein ruheloses Flackern lag in seinem Blick, aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Er lächelte.
„Ich hab’ dich erschreckt“, sagte er schuldbewusst und zog seine Hand zurück. Sie schluckte. Und nickte.
„Entschuldige, das war nicht meine Absicht“, entgegnete er mit rauer Stimme. Sie wollte seinem Blick ausweichen, aber irgendwie gelang ihr das nicht. Seine Augen schienen dunkler geworden zu sein, so dunkel, wie der sternenklare Nachthimmel.
„Schon gut“, murmelte sie.
„Wirklich?“
„Hm.“
„Sicher?“, fragte er und grinste.
„Ja, verdammt, wie oft noch?“
„ Molto bene “, sagte er, dann küsste er sie erneut. Es passierte einfach, ohne dass sie sich erklären konnte, wie.
33
Helles Licht fiel ins Zimmer, die weißen Wände blendeten so sehr, dass Leslie die Augen gleich wieder zusammenkniff, nachdem sie sie aufgeschlagen hatte. Dann blinzelte sie, gewöhnte sich an die frühen Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen. Sie gähnte – und hielt inne, als sie registrierte, dass sie im Bett lag, die weiße Decke bis zur Nasenspitze hochgezogen.
Moment – ihre Decke war blau. Eigentlich. Als sie ihre Kleider verstreut auf dem Boden liegen sah, fuhr sie entsetzt hoch. Ach du Schreck! Sie raufte sich das wirre Haar, dann fiel es ihr wieder ein. Sie war bei Raffaello. In seinem Haus. In seinem Bett .
„Scheiße!“, entfuhr es ihr laut. Jetzt erinnerte sie sich. Bei diesen Gedanken verknotete sich etwas in ihrem Magen, aber dann zauberte es ein Lächeln auf ihr Gesicht. Verwirrt ließ sie sich zurück in die weichen Kissen fallen. Tastete mit der linken Hand nach Raffaello.
„Raffaello?“, raunte sie. „Wach auf, du –“ Sie hielt inne. Drehte sich zur Seite. Er war nicht da.
„Raffaello?“ Sie setzte sich wieder auf. Reckte den Hals und ließ den Blick im Zimmer umherschweifen. Den Balkon konnte sie von hieraus sehen. Dort war er nicht. Wo zur Hölle steckte er? Das mulmige Gefühl, das auf einmal in ihrem Magen aufgetauchte, beachtete sie einfach nicht.
Vorsichtig rappelte sie sich auf, kroch unter der Decke bis ans Ende des Bettes, streckte einen Arm aus und angelte nach ihren Kleidern. Schnell zog sie Raffaellos Hemd über und schlüpfte hastig in ihren Rock. Nun endlich traute sie sich aufzustehen. Und da fiel ihr der Zettel ins Auge, der auf Raffaellos Kopfkissen lag. Sie kniete sich auf die harte Matratze und nahm ihn in die Hand.
„Buon giorno, Leslie“,
stand da in seiner unverkennbaren Schnörkelschrift,
„Ich musste dringend weg –
Familienangelegenheiten, bzw. Probleme.
Tut mir wirklich leid,
ich denke, es dauert nicht lange.
Warte hier auf mich,
Ti amo,
R. R.“
Das „ Ti amo “ ließ ihr Herz für einige Sekunden rasen, aber dann zerknüllte sie den Zettel mit der Faust. Was bildete er sich eigentlich ein? Dass er sie einfach so sitzen lassen konnte? Drecksack, dachte sie grimmig. Seine blöden ‚Familienangelegenheiten‘ interessierten sie nicht im Geringsten. Jedenfalls nicht im Moment. Sie stand auf, schmiss den zerknüllten Zettel aufs Bett und huschte dann so leise sie konnte – obwohl sie wusste, dass außer ihr niemand hier war – in das große Bad, das an das Schlafzimmer im ersten Stock grenzte. Hastig drehte Leslie den Wasserhahn auf und goss sich einen Schwall Wasser ins Gesicht.
Ihr Magen rumorte. Ihr Spiegelbild sah grässlich aus. Eine unangenehme Mischung aus purem Glück und bitterer Enttäuschung. Dazu noch Wut. Schmollmund. Falte zwischen den breiten Augenbrauen. Glänzende Augen – keine Schatten darunter. Und es schien ihr etwas entgegenzuschreien: „Ausgenutzt!“ Ich bin ihm egal, fügte sie in Gedanken hinzu, sonst wäre er nicht einfach so gegangen. Trotzig richtete sie den Blick auf die hellgrauen Augen ihres Spiegelbildes. „Er ist es auch“, sagte sie mit fester Stimme. „Er ist mir auch egal.“ Aber sie wusste genau, dass er das nicht war. Und das machte sie nur umso wütender. Sie drehte dem Spiegel den Rücken zu und verließ das Bad. Huschte die Treppe hinunter in die Küche.
„Leslie?!“ Sie fuhr zu Tode erschrocken herum. Mario saß am Esstisch, in Jeans und T-Shirt, die Zeitung aufgeschlagen in der Hand und musterte sie äußerst überrascht. Sie starrte nicht minder überrascht zurück. Noch nie hatte sie ihn in Freizeitkleidung zu Gesicht bekommen. Er wirkte gleich fünf Jahre jünger.
„Du bist so früh schon hier?“, fragte Mario mit einem ungläubigen Blick auf die
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