Zwischen Olivenhainen (German Edition)
die Wand. Gosetti stand auf und sah sie eindringlich an.
„Leslie, das ist das Einzige, das ich für dich tun kann“, sagte er beinahe flehend. Jetzt kam auch Anne etwas näher. In ihren Augen glitzerten Tränen. Himmel, sie benahm sich, als wäre sie schon mausetot!
„Er wird mich nicht umbringen“, sagte sie mit fester Stimme.
„Weil er dich liebt?!“, rief Anne und kam auf sie zu, packte sie an den Schultern. „Wann begreifst du endlich, dass der Typ ein Verbrecher ist?!“, rief sie. „Da spielen Gefühle keine Rolle! Hörst du? Keine! Nicht die Bohne!“ Wütend riss sich Leslie von ihr los.
„Er wird mich nicht –“, schluchzte sie, dann verschluckte sie sich an ihren Tränen. Sie wollte nicht weinen. Nicht deswegen. Nicht vor Gosetti.
Ihr Handy klingelte. Sie hörte, wie Anne flüsterte:
„Das ist er. Ganz sicher – oh, Gott …“ Sie spürte, wie Gosetti sie ansah, wie er sie mit seinem Blick durchbohrte – dann krächzte sie in den Hörer.
„Hallo?“
„ Merda , Leslie, wie hörst du dich an?!“, rief Raffaello am anderen Ende der Leitung. Klang er erschrocken? Oder tat er nur so? Gosetti hatte sie komplett verunsichert!
„Leslie?“
„Hm?“
„Geht’s dir gut?“
„Nein“, wimmerte sie.
„Wo bist du? Was ist passiert?“
„Du bist …“ Sie holte stockend Luft, „… abgehauen.“ Vielleicht war es vorerst besser, ihn in dem Glauben zu lassen, es ginge nur darum. Sie hörte ihn aufstöhnen.
„ Merda ! Das – es tut mir wirklich leid, Leslie!“, sagte er und es klang so ernst, dass sie ihm fast geglaubt hätte.
„Echt?“, schniefte sie, dachte gar nicht mehr daran, wie wütend und enttäuscht sie von ihm war. Sie konnte nur an Gosettis Rede denken.
„ Sì !“
„Schon okay“, schniefte sie. Eine ganze Weile blieb es still.
„Du bist nicht deswegen so verzweifelt, habe ich recht?“, fragte er ernst. Sie schüttelte den Kopf. Und dachte daran, dass er das ja gar nicht sehen konnte.
„Was ist es dann, Leslie?“ Sie gab nur ein Wimmern von sich.
„Weißt du was? Ich komme zu dir!“
„Nein!“, kreischte sie erschrocken in den Hörer. „Bloß nicht!“
„Warum?“
„Weil …“
„Ich komme, egal!“
„Nein! Es ist … jemand hier. Fängt mit ‚G‘ an“, sagte sie mit einem beunruhigten Blick auf Gosetti. Raffaello schien zu begreifen.
„Er kann mir nichts –“.
„Doch!“, schrie sie ins Telefon.
„Was?“
„Ja, verdammt! Was glaubst du, warum ich heule?“
„Du darfst das nicht ernst nehmen, Leslie.“
„ Ist es aber!“ Sie hörte ihn etwas auf Italienisch schimpfen. Ziemlich laut.
„Ruf mich an, wenn er weg ist“, sagte er – dann legte er auf.
Jetzt hatte sie ihn vollkommen aufgeschreckt. Was er wohl gerade dachte? Daran, wie er Gosetti beseitigen würde? Oder gar sie? Sie ließ ihr Handy sinken. Stierte Gosetti nicht halb so wütend an, wie sie es vorgehabt hatte.
„Was hat er gesagt?“, fragte Anne kühl.
„Wollte sich nur entschuldigen“, entgegnete Leslie. Gosetti trat auf sie zu.
„Für was?“, fragte er.
„Geht Sie ganz und gar nichts an!“, fauchte Leslie. „Ich will, dass Sie auf der Stelle gehen!“ Je eher sie Raffaello wieder anrufen konnte, desto besser. Aber Gosetti rührte sich nicht vom Fleck.
„Du hast den Mord gesehen, Leslie“, sagte er.
Sie fragte sich immer noch, woher er das wusste.
„Ich sag keinen Ton mehr“, knurrte sie. „Hauen Sie ab!“ Großer Gott, der Mann hatte wirklich eine Engelsgeduld. Doch schließlich drehte er sich doch um.
„Anne hat meine Privatnummer. Ruf mich an, sobald du es dir überlegt hast“, sagte er, bevor er aus der Tür trat. Anne begleitete ihn nach draußen.
Leslie rutschte mit dem Rücken an der Wand herunter, ihr Handy fest in den Händen. Sie zögerte, Raffaello anzurufen. Konnte sich nicht entscheiden, wie sie zu ihm stand. Sie atmete tief ein und aus. Dann wählte sie seine Nummer.
„Leslie?“, hörte sie seine Stimme.
„Ja. Er ist weg. Ich hab’ ihm gesagt, er soll abhauen …“
„Im Ernst?“
„Hm.“
„Ich komme zu dir“, sagte er.
„Besser nicht. Er hat mir ziemlich viel erzählt …“
„Ach? Was?“
„Er sagte, er wüsste, dass ich … es gesehen habe.“
„Kann er nicht wissen.“
„Das weißt du doch nicht!“, rief sie. Er schwieg einen Moment lang.
„Ich hab’ gelogen“, sagte Leslie irgendwann.
„Was?!“
„Ja. Ich hab’ ihm gesagt, ich hätte nichts gesehen.“
„Das hat er
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