Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Leslie und stocherte in ihrem Essen herum.
„Oh, das ist nicht gut. Wer hat angefangen?“ Leslie seufzte.
„Ich hab’ ihn angemotzt, nachdem er mir mein Handy weggenommen hat, weil ich mit meiner besten Freundin telefoniert habe.“
„Hat er es dir wiedergegeben?“
„Ja.“
„In einem Streit gewinnt immer er “, sagte Serafina. „Das ist jedes Mal so. Er hat irgendeine spezielle Gabe, andere immer von sich zu überzeugen.“
„Mich nicht“, murrte Leslie.
„Sicher?“
Nein, dachte sie. Schließlich hatte sie ihm bis jetzt immer wieder verziehen, selbst wenn sie sich vorgenommen hatte, kein Wort mehr mit ihm zu reden.
„Woher kennst du ihn so gut?“, fragte Leslie. Serafina zuckte die Achseln.
„Durch Mario“, sagte sie.
„Mario? Andolini?“ Serafina nickte und hob ihre linke Hand, an der ein Ring mit einem blauen Saphir steckte.
„Er ist mein Verlobter.“ Leslie fiel die Kinnlade herunter. Das hatte sie nicht erwartet. Niemals.
„Äh ...“, machte sie und Serafina lachte.
„Damit hast du nicht gerechnet, hm? Auf den ersten Blick passen wir gar nicht zusammen. Im Ernst, ich dachte anfangs sogar, er wäre schwul“. Sie grinste. „Er hat mir das Kochen beigebracht. Vorher war ich miserabel.“ Grinsend spielte sie mit ihrem Ring.
„Was ist mit Raffaello?“, fragte sie dann lächelnd. „Hat er …?“
„Ich bin achtzehn!“, empörte sich Leslie. „Ich verlobe mich nicht! Jede Beziehung geht zu Ende, wenn man das macht!“
„Wie kannst du dir da so sicher sein?“
„Weil es bei meinen Eltern genauso war. Deshalb“, sagte Leslie. Sie fand es erschreckend, dass Serafina auf den Gedanken gekommen war, Raffaello hätte ihr diese Frage gestellt.
Das wird er nicht tun, dachte Leslie, fast ein bisschen wehmütig, niemals. Und schon merkte sie, dass ihre Wut längst verflogen war. Dass sie Raffaello irgendwie vermisste. Es war zum aus der Haut fahren.
„Was ist?“, fragte Serafina und musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie schien Marios Gabe, alles und jeden zu durchschauen, auch zu haben.
„Weiß nicht“, murmelte Leslie und stocherte in ihrem Essen herum.
„Hör mal“, sagte Serafina entschieden. „Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, weil du Raffaello deine Meinung gesagt hast. Das sollte ihm öfters jemand sagen – und es ist gut, wenn du nicht alles tust, was er verlangt.“
„Er kommandiert mich nicht herum, wenn du das meinst“, sagte Leslie.
„Aber er hat dich hierher gebracht. Wolltest du das?“ Einen Moment lang schwieg Leslie, dann schüttelte sie den Kopf.
„Wie hat er die Reise hierher begründet?“, fragte Serafina.
„Er hat gesagt, dass mich … irgendwer umbringen will. Und dass er Ärger mit Spavento hat.“ Serafina verzog den Mund.
„Hm …“, machte sie nachdenklich, „ich werde mal nachforschen, in Ordnung?“ Aber Leslie schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist …“ Vielleicht wollte sie die Wahrheit gar nicht wissen. Und dass Raffaello ihr nur die Hälfte verraten hatte, hatte er ihr ja bereits gesagt.
„Interessiert mich aber auch“, sagte Serafina und grinste. Den Rest des Abends sprachen sie nicht mehr über Raffaello. Serafina schlug vor, Leslie am nächsten Morgen mit in die Stadt zum Einkaufen zu nehmen und Leslie sagte, sie würde es sich überlegen. Wahrscheinlich würde es ihr ganz gut tun, mal aus diesem Haus rauszukommen. Sie hielt es hier bereits nicht mehr aus, obwohl sie heute erst angekommen war.
37
Später am Abend saß Leslie alleine in ihrer Suite auf dem riesigen Himmelbett, dachte an den Tintenfisch, den sie gegessen hatte, versuchte, sich nicht deswegen zu ekeln und wendete ihr Handy in den Händen hin und her. Es hatte auf ihrem Bett gelegen, als sie zur Tür hereingekommen war. Wenigstens hatte Raffaello es nicht mitgenommen. Ein Zettel lag auch dabei:
„Wohne am Ende des Ganges. R. R.“
Hin und hergerissen zerknüllte sie den Zettel, faltete ihn doch wieder auseinander und las ihn noch einmal. Holte tief Luft. Dann stand sie entschlossen auf und verließ das Zimmer.
Keine Minute später stand sie am Ende des Korridors vor einer ebenso massiven Holztür wie ihrer und trat unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. Sie traute sich nicht, anzuklopfen. Andererseits sehnte sie sich gewaltig nach Raffaello. Scheiß auf den blöden Streit vorhin. Sie klopfte an. Niemand öffnete. Es blieb totenstill. Sie klopfte noch einmal, lauter dieses Mal.
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