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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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Magen.
    „Danach solltest du mich nicht fragen, Leslie“, sagte er knapp.
    „Hm“, machte sie, „verstehe. Familienangelegenheiten, hab’ ich recht?“
    „Mehr oder weniger.“
    „Aha. Na dann.“
    „Leslie?“, sagte er. „Ich muss jetzt auflegen, Mario kommt.“
    „Raffaello?“ Himmel, sie liebte seinen Namen. Er schien schon beinahe aufgelegt zu haben.
    „Hm?“
Leslie holte tief Luft.
    „Ich halte es nicht mehr aus ohne dich“, nuschelte sie. Sie hörte ihn leise und zufrieden lachen.
    „Morgen“, versprach er, „morgen bist du wieder bei mir. Ti amo , Leslie.“ Dann legte er tatsächlich auf.
    Und gegen ihren Willen fühlte sich Leslie wie ein Gepäckstück, über das er frei entscheiden konnte, wann immer er wollte. Der Tag hatte gerade erst begonnen, aber ihre Laune drohte auf den Tiefpunkt zu sinken. Und es war der Tag, an dem Antonio nicht von der Arbeit nach Hause kommen sollte.

45
    Es war schon spät am Abend, als irgendjemand fest gegen die Tür zu Antonios Wohnung hämmerte. Stimmen ertönten draußen auf dem Flur, Schritte hallten durch die Stille, die die ganze Zeit über in der Wohnung geherrscht hatte. Leslie hatte versucht, Anne zu beruhigen, die einen so riesigen Aufstand um Antonios Verspätung machte, als ginge es um den Weltuntergang.
    „Er kommt immer nach Hause!“, hatte sie ununterbrochen gerufen. „ Immer , hörst du, Leslie?! Da ist doch was faul, verdammte Kacke!“ Zwischendurch hatte sie sich die sowieso schon völlig verknoteten Haare gerauft, bis sie Einstein nicht ganz unähnlich sah, um dann fortzufahren mit ihrer Schimpferei:
    „Scheiße, was ist, wenn dein Mafioso spitzgekriegt hat, dass – Scheiße! Mann, Leslie, ich halt das nicht aus!!“ Und sie war weiter auf und abgegangen, ja fast gerannt – und Leslie hatte nur die Augen verdreht, sich auf das Sofa zurückgezogen und den Mund gehalten. Sie zog es vor abzuwarten. So lange, bis irgendetwas passierte. Sie betete inständig, diese Nacht möge vorübergehen und Raffaello auftauchen, um sie endlich abzuholen. Sie hielt es nicht mehr länger aus.
    Jetzt sprang Anne zur Tür, als ginge es um Leben und Tod, sie unterbrach sogar auf der Stelle ihre unheilvollen Prophezeiungen – und dann stand Mr. Gosetti mitten im Raum. Mit todernstem Gesicht. Hinter ihm kamen vier weitere Polizeibeamte durch die Tür, nicht alle in Uniform, aber sie wirkten trotzdem ungeheuer einschüchternd. Anne sprang aufgeregt um den Commissario herum, wedelte mit beiden Händen in der Luft herum, als habe sie vor, ihn dazu zu bringen, all das, was er nun verkünden würde, jetzt schon in Höchstgeschwindigkeit zu erzählen. Aber Gosettis Blick galt Leslie, die noch immer zusammengekauert auf dem Sofa hockte und ihn nur mit großen Augen anstarrte. Ihr Mund war plötzlich trocken. Scheußlich trocken. Sie schluckte, aber es wurde nicht besser.
    Gosetti kam auf sie zu, setzte sich jedoch nicht. Er stand nur da, blickte auf sie herab und dann holte er fünf Fotos aus seiner Jackentasche hervor und reichte sie ihr. Mit zitternden Fingern nahm Leslie sie entgegen. Und wagte nicht, einen Blick darauf zu werfen. Dann schließlich tat sie es doch. Und noch bevor sie richtig zuordnen konnte, was genau auf all dem Durcheinander auf den Fotos zu erkennen sein sollte, sprach Gosetti aus, wovor sie sich die ganze Zeit über gefürchtet hatte.
    „Sein Lieferwagen“, sagte er ruhig. „In einem der Pizzakartons haben wir einen Sprengsatz gefunden. Es geschah in Sekunden. Er hatte keine Chance.“ Die Stille, die sich auf seine Worte hin im ganzen Zimmer ausbreitete, war unerträglich. Dann schluchzte Anne auf. Laut und durchdringend drang der grässliche Laut an Leslies Ohren.
    „Ich wusste es!“, schrie Anne. So laut hatte Leslie sie noch nie reden hören. „Ich hab’s gewusst!“ Sie wurde von einem erneuten Weinanfall geschüttelt, bevor sie zitternd eine Hand ausstreckte und nach der Couchlehne tastete. Sie sank darauf nieder. Mit hängenden Schultern kauerte sie da, heulte hemmungslos, so lange, bis ihre Miene versteinerte.
    „Leslie“, sagte sie, aber sie sah sie dabei nicht an. „Leslie, er hat es ihm heimgezahlt. Du weißt, dass er es war. Dieser Scheißkerl! Dieser Mörder!“ Jetzt schrie sie wieder, trat wild um sich gegen das Sofa. Schmiss die mickrige Zimmerpalme um, die neben dem alten Fernseher stand und nun laut krachend gegen das Radio flog und es mit zu Boden riss.
    Leslie saß nur stumm da, betrachtete das Foto in

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