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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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Vielleicht gab es überhaupt keinen Grund zu befürchten, ihr Verhältnis zu Anne hätte sich irgendwie verändert.
    „Ist er da?“, fragte sie. Anne schüttelte den Kopf.
    „Er arbeitet heute ausnahmsweise“, sagte sie. „Freitags hat er eigentlich frei.“ Leslie schnaubte verächtlich durch die Nase.
    „Ich kann mir lebhaft vorstellen, warum er mir nicht begegnen will“, knurrte sie. „Ich an seiner Stelle würde mich auch vor mir fürchten, wenn ich das getan hätte, was er getan hat.“ Betretenes Schweigen machte sich im Auto breit. Leslie wusste genau, dass Anne wusste, auf was sie anspielte, schließlich war sie dabei gewesen, als Antonio zugegeben hatte, Raffaello verraten zu haben, doch sie sagte nichts mehr, vielleicht aus Schuldgefühlen, bis sie ‚ Albertos Pizza Express ‘ erreicht hatten und Anne den Lieferwagen am Straßenrand parkte.
    „Ich will mit ihm reden“, sagte Leslie mit fester Stimme, als sie hinter Anne auf dem Gehweg stand. Langsam, fast so, als habe sie Angst, ihr in die Augen zu sehen, drehte Anne sich zu ihr um. Sie spielte mit dem Autoschlüssel, den sie in den Händen hielt.
    „Ich … glaube, das ist keine so gute Idee, Leslie“, sagte sie dann zögernd, doch Leslie verzog nur wütend das Gesicht.
    „Wieso?“, entgegnete sie hitzig. „Hat er Angst, ich könnte ihm an die Gurgel gehen?“ Anne lachte nervös auf, doch Leslie merkte ihr sofort an, dass sie nur so gelassen tat.
    „Vielleicht …“, sagte sie und trat rückwärts unsicher einen Schritt auf die Eingangstreppe zu.
    „Ich gehe ihn suchen“, knurrte Leslie. „Weit kann er ja nicht sein, oder?“ Und damit stürmte sie mit großen Schritten auf die Pizzeria zu, riss die Tür auf und schmetterte sie wieder hinter sich zu.
    Die Pizzeria war gut besucht. Einige Touristen und Schüler saßen am Tresen oder an den Tischen, die im Raum verteilt standen, aßen Pizza oder tranken etwas. Leslie war nur allzu bewusst, dass sie alle anstarrten, wie sie so dastand, im viel zu kurzen Nachthemd und vor Wut schäumend in alle Richtungen blickte. Fest entschlossen trat sie auf den Tresen zu, hinter dem ein junger Mann, etwa in Antonios Alter, stand und sie verwirrt musterte.
    „Ich will mit Antonio Federico sprechen“, sagte sie auf Englisch und der Zorn in ihrer Stimme schien dem armen Kerl mächtig Angst zu machen, denn er warf ihr einen flüchtigen Blick zu und drehte sich dann um – und deutete auf einen der Tische, der ganz hinten in einer düsteren Ecke stand. Leslie folgte seinem Blick.
    Da stand Antonio, eine rote Schürze umgebunden und schien gerade dabei gewesen zu sein, den beiden Touristen an diesem Tisch eine Pizza zu bringen. Jetzt blickte er so entsetzt zu ihr auf, als befürchtete er, sie könne jeden Moment eine Pistole ziehen und ihn abknallen. Und im Augenblick zweifelte sie nicht daran, dass sie es getan hätte, wenn sie das Ding nicht bei Raffaello auf dem Wohnzimmertisch liegen gelassen hätte.
    Mit strammen Schritten ging sie auf Antonio zu, der schon halb um den Tisch herumgekommen war. Er versuchte zu lächeln, doch es misslang ihm gründlich, worüber sie sich riesig freute. Voller Genugtuung musterte sie ihn eine Weile, bis er zu einer Begrüßung ansetzte und sich verstohlen im Raum umsah – dann holte sie aus und verpasste ihm eine Ohrfeige, die es in sich hatte. Laut knallend verteilte sich das Geräusch im Restaurant und auch Antonios keuchendes Aufatmen, als er einen Schritt zurückstolperte und dabei beinahe gegen den Tisch der beiden Touristen gestoßen wäre. Er presste sich eine Hand auf die linke Wange, die so leuchtend rot glühte wie Feuer, dann setzte er zu einer Erwiderung an. Doch seine Lippen schienen taub zu sein, denn es gelang ihm nicht richtig sie zu bewegen, geschweige denn einen Ton herauszubringen. Also starrte er sie einfach nur fassungslos an und Leslie meinte, alle Schuldgefühle auf einmal in seinem Blick erkennen zu können. Schuldig im Sinne der Anklage. Er war es gewesen. Er hatte Raffaello tatsächlich verraten. Leslie musterte ihn abschätzend.
    „Du weißt, wofür die war“, sagte sie nur kühl, dann drehte sie sich um und verließ die Pizzeria. Dieses Mal zog sie die Tür sorgsam leise hinter sich zu, wohl wissend, dass alle Blicke der Gäste ihr folgten oder auf Antonio gerichtet waren. Sie fühlte sich beinahe etwas befreit.
    Anne wartete auf der Straße auf sie. Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf, als Leslie bei ihr

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