Zwischen Olivenhainen (German Edition)
seiner Stimme schwang eine Überzeugung mit, die sie frösteln ließ. „Weil es Dinge gibt, von denen du keine Ahnung hast. Und denen du niemals gewachsen bist.“ Er meinte Raffaello damit, das war ihr klar. Und sie verzichtete darauf sich zu fragen, ob er etwas wusste, das sie nicht wusste – oder ob er sich nur etwas ausgedacht hatte, um sein Handeln zu rechtfertigen. Es war ihr so was von egal.
„Ich hasse dich“, sagte sie tonlos. Antonio schnaubte verächtlich.
„Weil du Ruggiero liebst“, entgegnete er. „Gut, hasse mich, meinetwegen“, er zuckte die Achseln. „Aber an meiner Einstellung wird das nichts ändern. Und daran, dass ich dich ein bisschen zu sehr mag, auch nicht.“ Verärgert sah sie zu ihm auf.
„Ich will nicht, dass du mich magst“, sagte sie. „Wir sollten keine Freunde mehr sein, nach dem, was du Raffaello angetan hast.“ Und sie zögerte, bevor sie hinzufügte: „Was du mir damit angetan hast.“ Antonio seufzte.
„Verrückt, ich weiß“, sagte er. „Ich wollte dich nicht als Freundin verlieren, glaub mir. Es galt niemals dir, Leslie, verstanden?“ Sie durchbohrte ihn mit eisigen Blicken.
„Das hättest du wohl gerne“, entgegnete sie, doch sie hatte nicht mehr die Kraft, ihre Wut noch länger aufrechtzuerhalten. Müde lehnte sie sich auf dem Sofa zurück, ließ das leere Glas einfach neben sich fallen, und starrte zu dem schmalen Fenster über ihrem Kopf hinauf. Sie schloss die Augen und wünschte Antonio ganz weit weg, irgendwohin, wo sie sich keine Gedanken darüber machen musste, ob sie ihm verzeihen sollte oder nicht, ob sie ihn hassen oder mögen sollte, so wie bisher. Er nahm ihr die Antwort ab, indem er sich ganz kurz zu ihr herunterbeugte und ihr einen Kuss auf die Wange drückte.
„ Scusi “, murmelte er, dann hörte sie, wie er leise ging.
Die darauffolgende Zeit verbrachte Leslie zurückgezogen in Antonios Wohnung entweder in der Küche oder auf dem Sofa sitzend. Seit ihrer Unterhaltung vor einer Woche sprach sie kein Wort mehr mit ihm, wich seinen Blicken aus, und versuchte, entgegen Annes Bitten und guten Rat hin, ihn zu ignorieren, einfach so zu tun, als wäre er nicht da. Vielleicht, dachte sie, vielleicht hilft es, alles zu vergessen. Oder zumindest so zu tun. Aber natürlich tat es das nicht.
Jeden Tag bestand sie darauf zum Krankenhaus zu fahren, um zu sehen, wie es Raffaello ging, doch Anne schien das mit allen Mitteln verhindern zu wollen. Und auch, als Leslie es nicht mehr aushielt, zu ihrem Handy griff und Raffaello anrief, bestand er steif und fest darauf, dass sie ihn nicht besuchen kommen sollte, obwohl er ihr gesagt hatte, sie könne so oft vorbeikommen, wie sie wollte. Sie fragte sich anfangs noch, warum er dieser Meinung war, doch bald kam ihr der Gedanke, dass er es vielleicht nur gut meinte. Sie vor all dem zu schonen und ihr die Möglichkeit zu geben, sich ein wenig auszuruhen und Abstand von den vergangenen Ereignissen zu gewinnen.
Endlich rief Mario an, um ihr mitzuteilen, dass Raffaello nun entlassen worden war – besser gesagt, sich selbst entlassen hatte –, sich bester Gesundheit erfreute, ihn angepflaumt hatte, weil er ihn daran gehindert hatte Leslie abzuholen, und ihn gleich nach Hause gefahren hatte – wo er sich noch um einige ‚wichtige Angelegenheiten‘ kümmern musste. Leslie sollte, meinte Mario, solange noch bei Anne und Antonio bleiben, bis Raffaello sie abholen kam.
Widerwillig sagte Leslie zu, bestand aber darauf, nicht mehr länger als drei Tage bei den beiden zu verbringen – und nachdem der dritte Tag vorüber war, rief sie Raffaello an. Er nahm nicht gleich ab und sie begann schon sich Sorgen zu machen, doch als sie dann endlich seine Stimme hörte, atmete sie so erleichtert auf, dass er lachen musste.
„Schön zu wissen, dass du mich vermisst“, begrüßte er sie, und sie meinte, sein Grinsen genau vor sich zu sehen,
„Ich komme dich morgen abholen, Leslie“, versprach er.
„Warum nicht heute? Oder gestern schon? Oder vorgestern??“, knurrte sie. „Mario hat gesagt, du würdest kommen – das war vor drei Tagen! Hattest du so viel zu tun, dass du mich vergessen hast?“
„Nein“, sagte er und mit einem Mal klang er todernst. „Es gab … gewisse Dinge zu erledigen. Aber ich habe dich niemals vergessen, glaub mir.“ Sie hörte ihn tief durchatmen.
„Was gab es denn so Wichtiges zu erledigen?“, fragte sie, nicht ohne echte Neugier. Und einem scheußlich unguten Gefühl im
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