Zwischen Olivenhainen (German Edition)
nur sagte, um sie ein wenig fröhlicher zu stimmen, denn sie merkte selbst, wie unentschlossen sie nach außen hin wirkte.
„Mein Auto steht dort drüben“, sagte Mario und deutete auf die andere Straßenseite. Leslie erkannte den Wagen sofort. Er stach zwischen all den 08/15 Autos hervor wie ein Kolibri unter gewöhnlichen Tauben. Ein silberner Jaguar mit schwarz getönten Scheiben. Leslie schauderte. Sie fand das irgendwie unheimlich, doch auch Raffaellos Cabrio hatte schwarz gefärbte Fenster gehabt. Mario und sie überquerten die Straße und plötzlich fragte sich Leslie, warum er nicht direkt vor dem Hotel geparkt hatte.
„Warum parken Sie hier?“, fragte sie ihn, als er ihr die Tür zum Beifahrersitz aufhielt. Mario zuckte die schlaksigen Schultern.
„Vor dem Hotel war kein Parkplatz mehr frei“, sagte er leichthin, dann setzte er sich hinter das Steuer und startete den Motor, der so leise war, dass man ihn fast nicht hörte. Überhaupt schienen die seltsam dicken Scheiben so ziemlich jedes Geräusch abzuhalten, das draußen auf den vollen Straßen entstand. Leslie blickte aus dem Fenster. Vor dem Hotel war alles frei. Kein Auto weit und breit. Man konnte von hier drinnen gut nach draußen sehen und alles erkennen, aber Leslie schätzte, dass man umgekehrt rein gar nichts sehen würde, sollte man den Versuch unternehmen, durch die dunklen Scheiben zu spähen, die zudem noch verspiegelt waren. Sollte das etwa edel aussehen? Oder war es ein Leichenwagen? Beides konnte zutreffen, wobei Leslie keine der beiden Möglichkeiten besonders gefiel. Aber vielleicht war es auch nur schick. Vielleicht polierte man unter reichen Leuten so sein sowieso schon protziges Auto auf, dachte Leslie und fand sich damit ab, dass wohl auch Mario Andolini ziemlich reich sein musste. Himmel, in welcher verwirrend anderen Welt war sie gelandet?
Sie schaute aus dem Fenster, während Mario sein Auto durch den dichten Verkehr lenkte. Er fuhr nicht ganz so waghalsig wie Raffaello, aber auch er blieb nicht an jeder roten Ampel stehen.
„Ich hatte echt schon befürchtet, ich müsste Raffaello die schlechte Nachricht überbringen, dass du nicht kommst“, brach Mario das Schweigen.
„Ich habe auch ein bisschen spät von seiner Feier erfahren“, sagte Leslie spitz.
Mario hupte, als einer der neben ihnen fahrenden Wagen flink auf ihre Fahrbahn sauste und ihn schnitt. Er murmelte irgendetwas auf Italienisch, bevor er sich auf das konzentrierte, was Leslie gesagt hatte.
„Ja, ich weiß“, sagte er „Er war nicht sicher, ob er dich einladen sollte oder nicht.“ Das versetzte Leslie einen Stich. Sie konnte nichts antworten. War sie am Ende unerwünscht auf Raffaellos Feier? Hatte er sie nur aus Höflichkeit eingeladen, weil er seinen Geburtstag ihr gegenüber erwähnt und sie ein paarmal getroffen hatte? Plötzlich sanken ihr Mut und die gute Laune, mit der Mario sie angesteckt hatte, auf den tiefsten Punkt in ihrem Magen. Ihr wurde schlecht. Vor Wut oder Unentschlossenheit, das wusste sie selbst nicht genau. An das, was Anne festgestellt hatte, wollte sie lieber gar nicht erst denken. Schluss, sie war nicht in diesen Macho verliebt. Und würde es auch nie sein. Und schon spürte sie, wie sich ihre Lippen schmollend nach vorne schoben.
„Weißt du“, sagte Mario dann, „er hat mich mindestens tausendmal gefragt, ob er dich nicht besser alleine einladen sollte, weil du niemanden kennst, der sonst noch da ist.“
Das war das krasse Gegenteil zu dem, was er eben noch gesagt hatte. Sie ließ es bleiben, über Raffaello nachzudenken und womöglich noch mehr falsche Schlüsse zu ziehen.
„Wie viele Leute sind denn eingeladen?“, fragte sie, um ein bisschen Interesse vorzutäuschen.
„Nicht so viele wie letztes Jahr“, entgegnete Mario. Er schien wirklich angestrengt zu überlegen. „Also, die Andolinis – meine Wenigkeit und Geschwister –, die Cantones, die Sparacios und zwei weitere Familien, deren Kommen ich über die Maßen bedauere.“ Seine Miene verfinsterte sich.
„Die Spaventos wurden dieses Jahr nicht eingeladen.“ Er klang verächtlich. „Und natürlich noch ein paar Bekannte aus Raffaellos Schule.“
Leslie fühlte sich jetzt schon fehl am Platz. Und zwar so richtig. Ganze Familien waren eingeladen worden – Gott bewahre, das mussten über hundert Leute sein, die sich alle auf einem Grundstück tummelten. Ihr wurde noch übler. Entweder würde extremer Platzmangel herrschen, oder Raffaellos Familie
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